Wunschlos glücklich sein: Dieser Zustand ist unser angeborenes Recht und wir haben es nicht verwirkt, als Adam und Eva das Paradies verliessen! Es ist bloss nicht mehr so selbstverständlich; wir müssen, um diese Zufriedenheit zu erlangen, etwas tun, uns bemühen.
Was braucht es denn, damit wir wunschlos glücklich sein können? Oder anders herum gefragt: Was hindert uns daran?
Im Wort selbst liegt das Geheimnis: Wunsch-los. Wir werden nie wirklich glücklich sein, solange wir noch Wünsche haben, auf deren Erfüllung wir hoffen und um deren Verwirklichung wir uns bemühen.
Unsere Wünsche betreffen alltägliche Banalitäten (am Morgen ein Stündchen länger schlafen; Sonnenschein statt Regen) ebenso wie materielle Befriedigung (gutes Essen, ein schönes Haus, tollen Urlaub). Weitere Wünsche sind an unser Umfeld und unsere Mitmenschen gerichtet: Wir möchten einen anderen Job, einen anderen Chef, andere Kollegen, gar einen anderen Beruf; der geliebte Mensch möge uns lieben, treu sein, aufmerksamer, nicht so dick, sensibler, stets wissen, was wir gerade von ihm erwarten… Dann geht es über die existenziellen Wünsche (gesund bleiben, genug verdienen, Erfüllung im Beruf und in der Familie finden) zu den „höheren“ (etwas für die Gesellschaft, die Umwelt, die Menschheit tun).
Wünsche prägen unser tägliches Leben. Doch solange ein einziger Wunsch in uns ist, und sei es der edelste, sind wir nicht wunsch-los glücklich.
Wünsche sind allerdings etwas Urmenschliches. Schon beim kleinen Kind erkennen wir, wie viele Wünsche es hat und wie heftig es reagieren kann, wenn sie nicht erfüllt werden!
Evolutionsgeschichtlich gesehen hatten Wünsche durchaus eine wichtige Funktion: Sie haben die Menschheit weiter gebracht. Wo wären wir ohne unseren Wunsch nach Wissen, nach Erkenntnis, nach Entdeckung und ohne unser Streben nach Höherem?
Gleichzeitig hindern uns die Wünsche aber daran, zutiefst glücklich zu sein – ein Dilemma! Für das es allerdings eine Lösung gibt: Gleichmut statt Himmelhochjauchzendzutodebetrübt.
Der gewöhnliche Alltag ist geprägt davon, dass wir bestimmte Dinge, Empfindungen, Situationen begehren und uns unglücklich fühlen, wenn wir sie nicht erlangen. Das Gegenteil belastet uns meistens noch stärker: etwas bekommen, was wir gar nicht haben wollen, Krankheiten zum Beispiel, körperliche und psychische Schmerzen, auferlegte Zwänge, Pflichten, Verantwortung und vieles mehr – alles, was wir uns weg-wünschen.
Das „Drama des Lebens“ hat uns dabei voll im Griff: einmal unbändige Freude, ein andermal tiefe Betrübnis. Dieses Auf und Ab scheint uns normal: „So ist das Leben“.
So ist das Leben – aber nur äusserlich betrachtet. In einem verborgenen Kämmerlein in uns wohnt allgegenwärtige Zufriedenheit, unabhängig von den tatsächlichen Umständen. Gleichmut ist der Schlüssel, der uns diese Türe öffnet.
Gleichmut bedeutet: Leid, Schmerz, Unangenehmes ebenso willkommen zu heissen wie das, was wir gemeinhin als erfreulich und schön bezeichnen, oder vorerst zumindest als neutral zu betrachten. Wenn wir krank* sind, es nicht als negativ, lästig, leidvoll bewerten, sondern einfach einmal als gegeben annehmen; wenn wir eine Arbeit verrichten müssen, die wir, wie man sagt, „hassen“, sie ohne negative Empfindungen ausführen; wenn wir Hunger verspüren und sich gerade keine Gelegenheit bietet, etwas zu essen, diesen Zustand teilnahmslos akzeptieren.
Auf der anderen Seite sollten wir auch die beglückenden Ereignisse und Errungenschaften, die uns zu Luftsprüngen verleiten möchten, mit einer gesunden Portion Gleichmut entgegennehmen. Das will nicht heissen, dass wir uns an dem, was uns zufällt, nicht erfreuen dürfen; wir sollten uns dabei lediglich bewusst sein, dass es eine „nebensächliche Gabe“ ist und nicht die Voraussetzung zu unserem Glück. Unsere Freude äussert sich dann nicht in unbändigem Hochgefühl, sondern als ruhige, gesetzte Dankbarkeit.
Nicht bekommen, was wir begehren, und besitzen, was wir nicht haben wollen: Das ist also das Hindernis zum Glücklichsein. Wir bauen es selbst auf durch unsere Beurteilung, unsere Trennung in schön/hässlich, gut/böse, angenehm/unangenehm – durch den Genuss der verbotenen Frucht vom paradiesischen Baum der Erkenntnis.
Hören wir hingegen auf zu werten, die Gegebenheiten und Ereignisse in gute und schlechte einzuteilen, sind wir dem Paradies ein Stück näher gerückt. Mit der Zeit schaffen wir es dann auch, unsere Wünsche und Begehren fallenzulassen: Wir nehmen in jedem Augenblick an, was uns gegeben wird, wir tun in jedem Augenblick, was getan werden muss, wir vertrauen, dass alles, was uns geschieht, was uns gegeben wird, gut für uns ist und uns auf unserem Lebensweg weiter bringt.
Dann entsteht die Zufriedenheit aus uns selbst heraus; sie ist in jedem von uns vorhanden, verborgen zwar, aber bereit, aus der Tiefe unserer Seele auch an die Oberfläche zu gelangen und unser Leben hier in dieser Welt zu einem glücklichen zu machen – ganz egal, was um uns und mit uns geschieht.
* In diesem Zusammenhang sind in erster Linie „harmlose“ Krankheiten zu verstehen, wie Grippe, Kopfschmerzen usw.; um mit schweren, behindernden oder gar lebensbedrohlichen umzugehen, braucht es neben Gleichmut auch ein starkes Urvertrauen.
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