Das Leiden der „Unschuldigen“

Warum müssen „Unschuldige“ leiden und sterben, beispielsweise unschuldige Opfer eines Unfalls, die hungernden Kinder? Das ist eine Frage, die sich die Menschen immer wieder stellen und die manche an der Existenz eines gütigen, barmherzigen Gottes zweifeln lassen.

Eine pauschale Erklärung dafür gibt es nicht. Zumindest keine, die der menschlichen Logik gerecht würde. „Vernünftige“ Erklärungen bieten das Karma-Gesetz oder die Vorstellung eines Göttlichen Plans, in dem diese Ereignisse eben einen Grund haben, den wir Menschen allerdings nicht wissen – und womöglich auch nicht verstünden.
Weit verbreitet ist auch die Theorie des Advaita-Vedanta (eine der Richtungen der altindischen Philosophie), die kurz umrissen besagt, dass die Welt, alles „Erschaffene“, nur eine Illusion (= Maya) sei (also auch das Leiden und der Tod) und die einzige Wirklichkeit das Göttliche, mit dem wir eins sind, ohne uns dessen bewusst zu sein.
Wir können uns das so vorstellen: Eine Zelle unseres Körpers (beispielsweise eine Leberzelle) fühlt sich als ein eigenständiges Wesen, sie funktioniert tatsächlich ganz für sich allein; sie ist sich zwar bewusst, dass sie Teil eines Grösseren ist (der Leber) und mit den anderen Leberzellen zusammenlebt, doch sie nimmt das übergeordnete Wesen (den Menschen), von dem sie ein Teil ist, nicht wahr.
Analog, immer gemäss der indischen Philosophie, realisieren wir menschliche Wesen ebenso wenig, dass wir nicht nur Teile der Menschheit sind, sondern auch Teile eines grösseren Ganzen. Diese Wahrheit wird durch Maya sozusagen verschleiert und unsere Aufgabe und Ziel ist es, den Schleier zu durchdringen und die Wirklichkeit zu erkennen.
Somit wäre auch jedes individuelle Leiden nur eine Illusion – gelingt es uns, diese Illusion zu beseitigen, hört das Leiden auf.

Diese Erkenntnis soll uns dazu verhelfen, dass wir das eigene Leiden mit etwas mehr Distanz betrachten und relativieren, und verhindern, dass wir bei unseren leidenden Mitmenschen mit-leiden – doch selbstverständlich sollen wir ihnen mit Nächstenliebe und Barmherzigkeit begegnen, ihnen Trost spenden und nach unseren Möglichkeiten dazu beitragen, ihr Leiden zu lindern.

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