Ergänzend zu meinem Text von letzter Woche, will ich heute noch ausführlicher über Gewohnheiten und Verhaltensmuster schreiben, denn es ist überaus wichtig, dass wir uns bewusst sind, was wir wirklich tun wollen und was wir automatisch, reflexartig tun.
Gewohnheiten kann man als eine Programmierung betrachten. Sie bestimmen unser Verhalten von einer unbewussten Ebene aus, die wir willentlich nicht beeinflussen können; dem Handeln gehen weder ein Gedanke noch eine Entscheidung voraus, es erfolgt spontan, unüberlegt.
Viele unserer Gewohnheiten sind harmlos: Wir beginnen beim Zähneputzen immer oben links; wir trinken um neun immer einen Kaffee; während eines Gesprächs drehen wir an unserem Fingerring herum… Das sind antrainierte Verhalten, die sich mit etwas Konzentration in kurzer Zeit ändern lassen.
Wir können aber auch Angst, Eifersucht, Nicht-nein-sagen-können und andere unserer Eigenschaften als Gewohnheiten bezeichnen: Indem wir uns immer wieder in einer bestimmten Weise verhalten, graviert sich dieses Muster ein wie die Rillen einer Schallplatte. Jedes Mal, wenn wir uns in einer ähnlichen Situation befinden, spielt es sich automatisch ab.
Ganz besonders in Gesprächen werden wir von Mustern gesteuert: Nicht nur verwenden wir eigene, gewohnheitsmässige Redewendungen oder reagieren auf bestimmte Fragen und Äusserungen immer auf gleiche Art – auch das lockere Daherreden über das Wetter, die politische Situation, ein Ereignis geschieht oft nur aus Gewohnheit, ebenso wie der Tratsch über Nachbarn, Bekannte, Arbeitskollegen. Wir sollten uns ferner vergegenwärtigen, dass selbst ernsthafte, gehaltvolle Gespräche zum Teil auf unbewussten Denkmustern gründen, also auf „programmierten Inhalten“.
Gewohnheiten hindern uns daran, wirklich wir selbst zu sein: „Aus Gewohnheit“ handeln wir, wie wir eigentlich nicht möchten, und können nicht anders; oder wir sind uns überhaupt nicht bewusst, dass ein bestimmtes Verhalten nichts weiter ist als ein „Programm“, das automatisch abläuft.
Es ist wichtig, bewusst und willentlich zu handeln und unsere Gewohnheiten zu hinterfragen.
Dazu braucht es zuerst die Erkenntnis, dass eine Verhaltensweise überhaupt ein Muster ist. Nehmen wir als anschauliches Beispiel unsere Art, immer alles zu erklären, zu begründen und zu rechtfertigen (eine hübsche Anekdote hier): Damit wollen wir erreichen, dass die Mitmenschen die Motivation unseres Handelns verstehen, folglich akzeptieren; das beruht auf der Angst verurteilt, nicht geschätzt, anerkannt, geliebt zu werden. Konkret äussert sich das darin, dass viele unserer Aussagen einen „Weil-Satz“ enthalten oder dass wir die gleichen Argumente mehrmals wiederholen.
Haben wir diese Verhaltensweise einmal enttarnt, bedarf es der klaren Willenskraft, unsere Gewohnheit zu ändern; das ist entscheidend, denn oft „möchten“ wir, aber es fehlt die absolute Bestimmtheit, irgendetwas in uns traut sich nicht oder will es nicht wirklich.
Und dann heisst es üben, üben, üben! Wir sind achtsam bei unserer Rede, hören auf, jeden Gedanken und jede Tat zu rechtfertigen (auch nicht vor uns selbst!). Wir machen nur noch klare Aussagen, vermeiden einmal grundsätzlich Weil-Sätze und wiederholen uns nicht: „Ich fahre übers Wochenende in die Berge; am Dienstag bin ich zurück“, anstatt: „Ich fahre übers Wochenende in die Berge, weil das Wetter jetzt lange schlecht war und die Prognosen für nächste Woche auch nicht besser sind, nur gerade am Wochenende soll es schön sein und ich habe ja in letzter Zeit sehr viel gearbeitet und Stress gehabt, ich denke, ich habe einige Tage Erholung verdient, und mein Mann ist gerade auf Geschäftsreise und die Kinder sind sowieso bei der Oma.“
Bei jedem Bemühen, ein Verhaltensmuster loszuwerden, stellen wir bald fest, dass die Erkenntnis und der klare Entschluss die gewünschte Änderung nicht unmittelbar hervorrufen! Ohne es zu wollen und zu merken, verhalten wir uns bei nächster Gelegenheit schon wieder gewohnheitsmässig und es wird uns erst im Nachhinein bewusst, wenn überhaupt. Wir sollten uns darüber nicht ärgern, nicht tadeln und einfach den Vorsatz mit aller Bestimmtheit erneut fassen, nochmals klar bekunden: „Beim nächsten Mal versuche ich es wieder!“
Bei diesem nächsten Mal werden wir die Chance wieder verpassen, danach gelingt es uns vielleicht einmal, vielleicht sogar zweimal, dann aber ein- oder mehrmals wieder nicht. Dabei kommt oft Entmutigung auf, bis hin zur Verzweiflung: „Warum schaffe ich es nicht? Ich weiss doch, dass ich mich nicht so verhalten soll, und ich will es auch nicht; trotzdem mache ich es ständig!“ In dieser Situation müssen wir uns immer wieder sagen, dass diese Gewohnheit in uns eingraviert ist wie auf einer Schallplatte: Die Nadel gelangt beim Abspielen von einer Rille zur nächsten; ebenso mechanisch erfolgt unsere Verhaltensweise und tritt an die Stelle eines gewollten, selbstbestimmten Handelns.
Doch irgendwann sind diese Rillen alle abgespielt, irgendwann haben wir genug geübt! Oft geschieht das unbemerkt: Erst nach einer Weile – es können Wochen oder gar Monate sein – fällt uns plötzlich auf, dass wir uns schon länger nicht mehr in dieser bestimmten Weise verhalten haben. Dieses eine Muster haben wir uns abgewöhnt!
Das ist Grund zur Freude – aber auch zur Vorsicht: Die abgelegte Gewohnheit lauert sozusagen noch in unserer Nähe, nennen wir es im Unbewussten, in unserer Aura oder Atmosphäre. Solange wir noch in diesem irdischen Leben weilen und ein Ego haben, kann jede Gewohnheit zurückkehren, beispielsweise dann, wenn wir nicht mehr achtsam sind, bei Extremsituationen, in denen wir an unsere Grenzen stossen, oder wenn wir zulassen, dass unser Bewusstsein (unser spirituelles Bewusstsein) auf eine egoischere Ebene sinkt, was in einer Umgebung von Angst, Begehren, niedrigen Schwingungen, mangelnder Energie schnell geschehen ist.
Selbstverständlich gilt die Macht der Gewohnheit auch für all unsere guten Eigenschaften, Wohlwollen, Verständnis, reine Liebe, Grossmut, Geduld und mehr, die sich umso stärker in uns eingravieren und festigen, je mehr wir sie ausüben, bis sie wirklich zu gewohnheitsmässigen Verhaltensweisen werden, die wir spontan praktizieren, ohne zu überlegen.
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