Buddhas brennendes Haus

In einem Gedicht lässt Bertolt Brecht* den Buddha ein Gleichnis erzählen. Er kam zu einem brennenden Haus, in dem noch Menschen waren. Er rief ihnen zu, sie sollen sich retten, aber die Leute begannen Fragen zu stellen: „Wie ist das Wetter draussen?“; „Gibt es ein anderes Haus für uns?“ und mehr dergleichen. Der Buddha dachte bei sich, diese Leute müssten verbrennen, bevor sie aufhörten, Fragen zu stellen, und ging.

Ja, in der Tat, wenn wir uns in einem brennenden Haus befinden, müssen wir nur sehen, dass wir herauskommen – zu erfahren, wer es angezündet hat, wie es draussen ist, wohin wir anschliessend gehen sollen, nützt uns nichts.

Oft wollen wir wissen, warum wir uns in einer bestimmten Situation befinden, was dazu geführt hat, wer schuld daran sei, anstatt zuerst einmal einen Ausweg zu finden: „Die Situation X ist, wie sie ist, an diesem Punkt meines Lebenswegs stehe ich gerade – wie kann ich sie verändern?“ Unsere Innere Stimme wird uns die Antwort geben; vertrauen wir ihr blind, auch wenn unser Verstand keine rationale Argumentation dafür liefern kann. Unsere Seele weiss immer, was gut für uns ist.
Danach, aber erst danach, können wir uns Fragen stellen, wie: „Was soll ich daraus lernen? Welchen Sinn hat das Geschehene für mich?“ Und: „Wohin könnte ich von hier aus gehen?“

*Den Gedichttext findet ihr auf der Philos-Website. Brecht schrieb das Gedicht 1937, um vor dem Nationalsozialismus zu warnen. Buddha hatte in seinen Lehren tatsächlich die irdische Existenz als brennendes Haus bezeichnet, das wir verlassen müssen, um dem Leiden zu entkommen.

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Der Fluss des Lebens

Gestern traf ich in der vorösterlich elendlangen Schlange vor der Kasse des Supermarkts eine alte Bekannte, die vor einigen Jahren ihren Mann verloren hat. Sie erzählte mir, wie sehr sie ihn immer noch vermisst, gerade an solchen Festtagen.
Auf meine Frage, ob sie keinen neuen Partner habe, antwortete sie: „Das will ich nicht, das kommt für mich nicht in Frage, niemals. Dafür respektiere ich meinen verstorbenen Mann zu sehr.“

In diesem Moment war ich an der Kasse an der Reihe und wir konnten das Gespräch nicht sofort fortführen. So hatte ich Zeit, meinen Gedanken nachzugehen.
Mein erster war: Hm, hat das wirklich mit Respekt zu tun? Ein Lebensabschnitt ist mit dem Tod des Partners zu Ende gegangen, ein neuer folgt, das ist der Fluss des Lebens. Dürfen wir uns an Vergangenem festklammern?

Dann fiel mir ein, dass sie etwa 40 Jahre lang mit ihrem Mann zusammen gewesen war und inzwischen auch schon einiges über 60 sein musste. Nach dieser langen gemeinsamen Zeit ist es bestimmt nicht mehr so einfach, das Alte loszulassen. Vielleicht fehlt auch der Glaube, nochmals einem ebenso guten Mann begegnen zu können. Wohl spielt auch die Angst vor einer neuen Beziehung, wenn man ein Leben lang mit dem gleichen Partner zusammen gewesen ist.

Dennoch konnte und kann ich dieser Treue über den Tod hinaus nichts abgewinnen. Allerdings respektiere ich selbstverständlich ihre Entscheidung und ihren Weg. Zweifellos spricht und handelt sie so, wie sie es in sich spürt. Das ist auf jeden Fall gut und richtig.

Und ich habe mehr als einmal am eigenen Leib erfahren, dass solche Grundsätze und „Prognosen“ für die eigene Zukunft von einer Minute auf die andere ins Gegenteil gekehrt werden können, wenn das Göttliche etwas anderes mit einem vorhat. :mrgreen:

Wichtig ist, dass wir in solchen Momenten, in denen das Göttliche uns mehr oder minder sanft in eine andere Richtung lenken will, nicht versuchen, gegen den Strom zu schwimmen, unsere festgefahrenen Überzeugungen und Dogmen loslassen, dem Fluss des Lebens folgen und uns von unserem Urvertrauen tragen lassen.

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Ethik und Moral, Normen und Regeln

Gebote, Verbote, Normen und Regeln sind nicht sinnlos: Sie hindern das Individuum daran, sein Ego hemmungslos walten zu lassen, und ermöglichen erst das Zusammenleben in einer Familie, Sippe, Stadt, Nation – in jeder Gemeinschaft.
Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass alle diese Vorschriften zeit- und ortsabhängig sind und nicht einem für alle Ewigkeit und die ganze Welt gültigen, sakrosankten Gesetz entsprechen. Auch was wir als Ethik und Moral bezeichnen ist nicht minder auf Region und Epoche beschränkt: So galt (und gilt) beispielsweise die Blutrache in gewissen Gegenden als legitim, gar als ehrbare Pflicht, während wir in Westeuropa sie heute als eine barbarische Sitte verurteilen.
Als spirituell Suchende, deren Ziel es ist, das Ego zu überwinden, dürfen und sollen wir auch die „allgemein anerkannte“ Ethik und Moral, die in Kraft stehenden Gebote und Verbote, die ausgesprochenen oder stillschweigend festgeschriebenen Normen und Regeln hinterfragen. Unser einziger Gesetzgeber, unser alleiniger Richter soll unsere innere Stimme sein, die Stimme unserer Seele, die weiss, welches Verhalten im jeweiligen Augenblick für uns und unsere Mitmenschen das „richtige“ ist.

Dazu noch eine Geschichte aus Indien:

Ein spiritueller Meister war mit seinen Schülern auf einem offenen Ochsenkarren unterwegs. Er wollte sich etwas ausruhen und legte sich hin, nachdem er den Jüngern aufgetragen hatte: „Passt gut auf, wenn wegen der holprigen Landstrasse etwas vom Wagen fallen sollte.“
Als er nach einer Weile aufwachte und um etwas zu trinken bat, teilten die Schüler ihm mit, der Wasserbehälter sei hinunter gefallen. Der Meister schimpfte mit ihnen, aber sie erwiderten: „Wir haben aufgepasst! Es passierte genau an der letzten Weggabelung.“
Geduldig erklärte ihnen der Meister, wenn etwas hinunterfalle, sollten sie es aufheben, und legte sich wieder schlafen. Nach kurzer Zeit wachte er wegen eines fürchterlichen Gestanks auf: Die Jünger hatten den Mist des Ochsen aufgehoben und auf den Karren geladen!
Nun erstellte der Meister eine Liste mit allem Wichtigen, das sich auf dem Wagen befand und nicht verloren gehen dürfe, übergab das Schriftstück seinen Schülern und schlief erneut ein.
Als der Karren später in ein tiefes Schlagloch fuhr, fiel der Meister hinunter auf die Strasse. Die Schüler schauten auf die Liste – und weil „Meister“ nicht darauf stand, liessen sie ihn liegen und fuhren ohne ihn weiter.

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„Richtiges“ Handeln

Im Anschluss und als Ergänzung zum vorangehenden Text vom 2. Februar 2010, will ich heute die Frage nochmals aufgreifen: Wie sollen wir handeln? Woher wissen wir, ob unsere Taten im Einklang mit dem Höheren (Göttlichen) Willen sind oder nicht?

Niemand kann uns das mit Gewissheit sagen – ausser wir glauben bedingungslos und überzeugt einer der Religionen (oder der Kirchen) und befolgen blind deren Gebote und Verbote als vermeintlichen Ausdruck des Göttlichen Willens. Doch selbst dann gibt es unzählige Fälle und Situationen, über welche die heiligen Schriften nichts aussagen oder verschiedene Interpretationen ermöglichen. So sind wir mit unserer Unsicherheit wiederum allein gelassen. Wer sagt uns dann, wie handeln? Wie erkennen wir den Höheren Willen?

Ganz einfach: Das Göttliche ist ja auch in mir! In meiner Seele ist seine Wahrheit verborgen. Nach dem Göttlichen Willen handeln, bedeutet deshalb, das zu tun, was ich in mir als richtig spüre, also mir selbst vertrauen.

Aber dürfen wir allen Ernstes davon ausgehen, dass wir dann immer richtig handeln? Nur zu gut wissen wir, wie leicht wir uns verführen lassen von unserer Bequemlichkeit, unserem Hang, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, unserem Widerwillen gegenüber bestimmten Dingen, unseren unersättlichen Begierden, unseren Ängsten – kurz: von allem, was unser Ego bildet.

Machen wir uns wieder einmal bewusst, dass wir auf dieser Welt sind, um zu lernen und uns zu entwickeln, und dass das Leben selbst unser Lehrer ist. Es lenkt uns nach dem Prinzip von „learning by doing“ (Lernen durch Tun) und „trial and error“ (Versuch und Irrtum).
Wie wir auch immer handeln, ob von unserer Seele geführt oder durch unser Ego verführt: Aus den Konsequenzen lernen wir – immer, wenn nicht heute, dann halt morgen. Wir bekommen immer wieder eine neue Chance.
Es ist folglich in jedem Fall gut, auf uns selbst zu hören und das zu tun, was wir spüren. Genau betrachtet, haben wir doch gar keine andere Möglichkeit!
In diesem Sinne kann uns bei einer Entscheidungsfindung auch die Erwägung helfen, ob eine Handlungsweise unsere innere Entwicklung fördert oder nicht. Denn über alles gesehen ist das Ziel des Lebens die Evolution des Bewusstseins; das bedeutet, dass jeder Fortschritt in diese Richtung im Einklang mit dem Höheren Willen steht.

Entscheidend dabei ist, die Angst vor den Konsequenzen gänzlich zu verlieren: Das gelingt uns, wenn wir erstens darauf vertrauen, dass es keine Fehler gibt, sondern nur weiterführende Erfahrungen; zweitens durch unser Urvertrauen und unseren Gleichmut, sodass wir alles annehmen, was uns auch zufällt; und drittens dank unserer Überzeugung, dass die Göttliche Barmherzigkeit nur das Gute für uns will.

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Stimme der Seele oder Stimme des Ego?

Manchmal haben wir das Gefühl, keine Wahl zu haben – oder in etwas „getrieben“ zu werden, dem wir uns nicht entziehen können. Dahinter steckt entweder die Stimme der Seele oder die Stimme des Ego. Beide können uns das Gefühl vermitteln, „etwas“ in uns habe entschieden oder uns gänzlich ohne nachzudenken – spontan – handeln lassen. Es ist nicht immer einfach herauszufinden, ob es unsere Seele ist oder das Ego, und darüber nachsinnen hilft meistens nicht: Folgen wir der wahren inneren Stimme, brauchen wir uns keine Gedanken darüber zu machen, denn wir handeln, wie es gut für uns ist; treibt uns hingegen das Ego an, so ist es listig genug, sich als Höheres zu tarnen und uns tausend Begründungen und Rechtfertigungen für unser Verhalten unterzujubeln.

Manchmal erkennen wir die Motivation unserer Tat erst zu einem späteren Zeitpunkt – teilweise viel, viel später, Tage, Wochen oder gar Jahre danach! Dann lernen wir etwas daraus und vielleicht spüren wir bei der nächsten ähnlichen Situation besser, ob es unser Ego ist, das mit uns spricht, oder unsere Seele.
Sofern es unsere Seele ist, die uns zu einer Handlung treibt, entspricht es dem Höheren Willen und dient der Erfüllung des Göttlichen Plans; es kann sein, dass wir selbst dabei nur die Rolle eines „Werkzeugs“ spielen, das wirkliche „Ziel der Aktion“ ein anderer Mensch ist. Wenn wir auf unser Leben zurückblicken, finden wir in der Regel mehrere Begebenheiten, bei denen wir in eine bestimmte Situation oder Handlung „getrieben“ wurden, damit sich für einen Menschen aus unserem Umfeld etwas bewegte; im damaligen Zeitpunkt verstanden wir vielleicht nicht, warum uns etwas Bestimmtes widerfuhr oder wir in einer Weise handelten, die uns fremd war, doch aus der zeitlichen Entfernung und nachdem wir die „Fortsetzung der Geschichte“ erlebt oder erfahren haben, wird uns klar, welche Rolle wir zu spielen hatten.

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