In meinem letzten Artikel habe ich versprochen, über meine persönlichen Erfahrung mit dem Stossgebet zu erzählen. Da fallen mir zwei Begebenheiten ein, die mich besonders bewegt haben.
Zwischen 1980 und dem Anfang der 1990-er Jahre bekannte ich mich zum „gottlosen“ Buddhismus, nachdem ich mich davor viele Jahre lang Atheist genannt hatte.
Als mein Lebenspartner 1987 ganz unerwartet einen Herzinfarkt erlitt – die Symptome waren selbst für einen Laien eindeutig – und er bewusstlos vor mir lag, bekam ich wahnsinnig Angst und fühlte mich völlig ohnmächtig.
Da stieg aus der Tiefe meiner Seele ungefragt ein Stossgebet empor: „Lieber Gott, bitte hilf mir, lass ihn nicht sterben!“ Im gleichen Augenblick schaltete sich mein Verstand ein und sagte nüchtern: „Was soll das? Ich glaube doch gar nicht an Gott!“ – Jedenfalls stellte sich der Herzinfarkt dann beim Arzt als sehr leicht heraus und mein Lebenspartner erholte sich vollständig.
Einmal, es dürfte über zwölf Jahre her sein (ich hatte zu jener Zeit das Göttliche bereits zum Sinn und Ziel meines Lebens gemacht), wanderte ich allein einer Bergflanke entlang hoch über dem Tal; es war ein breiter, gut ausgebauter Weg – fast schon eine „Wander-Autobahn“! –, der Hang nicht besonders steil, dass ich hätte hinunterstürzen können, das Wetter prächtig ohne eine Wolke am Himmel. Also keine Spur einer gefährlichen Situation.
Als ich mich nach einer kurzen Rast wieder aufmachte, packte mich bei den ersten Schritten die Angst, es war eine Beklemmung in meiner Brust, die mir beinahe den Atem nahm, eine grundlose, sinnlose, unbegreifliche Panik. Ich spürte, wie meine Beine nachzugeben schienen, meine Hände zitterten. Ich blieb stehen. Ein Teil von mir, der offenbar nicht mithineingezogen war, wunderte sich, fragte, was mit mir geschah, und verstand es nicht; auch dieser neutrale Beobachter vermochte indes nicht, die Angst zu lösen, sie war in mir und um mich, hüllte mich völlig ein und füllte mich gänzlich aus. (Später habe ich für mich eine Erklärung gefunden, aber das ist eine andere Geschichte.)
„Göttliche Mutter, bitte beschütze mich!“ Ungerufen, nicht gedacht, stieg aus meiner Seele der Hilferuf auf und augenblicklich erfüllte mich Frieden, eine wunderbare innere Reglosigkeit. Mein Blick ruhte auf dem Wasserfall auf der anderen Talseite – da bildete sich kreisrund ein Regenbogen.
Ich setzte meinen Weg fort, fühlte eine nie gekannte Dankbarkeit, die zugleich Zuversicht war, dass mir von da an nie mehr etwas passieren konnte; es war eine Geborgenheit in einem Mächtigeren als mir, die Gewissheit, mein Leben nicht mehr in jedem Moment selbst lenken und kontrollieren zu müssen, sondern es vertrauensvoll übergeben zu haben – wie ein Kind, das an der Hand der Mutter geht und sich nicht darum kümmert, wohin der Weg führt.
Ich hatte diese Worte „Göttliche Mutter, bitte beschütze mich“ nie zuvor verwendet – sie wurden zu meinem persönlichen Stossgebet, das sich seither jedesmal spontan in mir bildet, wenn ich in eine schwierige oder gefährliche Situation gerate. Und ich spreche sie auch bewusst, sobald ich ins Auto steige, bevor ich einschlafe und bei vielen anderen Gelegenheiten.
Artikel teilen auf: