Regeln eines Zen-Meisters

Immer wieder stelle ich fest, wie viele Ähnlichkeiten im Kern der verschiedenen mystischen Richtungen von Religionen und Philosophien bestehen. Deshalb gebe ich heute einige Empfehlungen eines Zen-Meisters* an seine Schüler wieder, die ebenso gut aus dem Karma Yoga stammen könnten.

• In der Welt zu leben, ohne Anhaftung an den Staub der Welt, ist der Weg eines wahren Zen-Schülers.
• Wenn du jemanden bei einer guten Tat siehst, ermutige dich selbst, seinem Beispiel zu folgen. Hörst du von einem Fehler eines anderen, so ermahne dich, ihn nicht nachzuahmen.
• Die Armut ist dein Schatz. Tausche ihn nie gegen ein bequemes Leben ein.
• Die Tugenden sind die Früchte der Selbstdisziplin und fallen nicht von selbst vom Himmel wie Regen oder Schnee.
• Ein edles Herz zwingt sich anderen nie auf. Seine Worte sind seltene Edelsteine, kaum je zur Schau gestellt und von grossem Wert.
• Dem aufrichtigen Schüler ist jeder Tag ein glücklicher Tag. Die Zeit vergeht, aber er bleibt nie zurück. Weder Ruhm noch Schande berühren ihn.
• Lebe sinnvoll und überlasse die Ergebnisse dem grossen Gesetz des Universums. Verbringe jeden Tag in friedlicher Kontemplation.

* Zangetsu war ein chinesicher Zen-Meister aus der Zeit der Tang-Dynastie (zumindest steht diese Aussage auf einigen wenigen Websites – sehr bekannt war er wohl nicht, da man im Internet kaum etwas über ihn findet; dennoch finde ich seine Regeln interessant und lehrreich)

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Mein neues „Sonnwandeln“

Vor gut zehn Jahren begann ich, Sonnwandeln zu schreiben, eine Schriftenreihe für spirituelle Entwicklung im Alltag. Es entstanden schliesslich dreissig thematische Ausgaben, insgesamt über 600 Seiten. Den Namen Sonnwandeln wählte ich in der dop­pelten Be­deutung von „auf dem sonnigen Lebensweg wandeln“ und „sich zu einem sonnigen Gemüt wandeln“. Diese Schriftenreihe, die es nur in elektronischer Form gab, habe ich jetzt in gedruckte Bücher umgeformt und bei dieser Gelegenheit gründlich überarbeitet. Der erste Band mit dem Titel „Der Sinn des Lebens und die Lebensschule“ ist soeben erschienen, die übrigen vier erscheinen nach und nach.
Jedes Kapitel entspricht einer Ausgabe der früheren Schriftenreihe und weist die gleiche Struktur auf: „Einführende Gedanken“ stellt eine Einleitung ins Thema dar und wirft auch Fragen auf, die ich dann in den weiteren Rubriken „Vertiefende Aspekte“ und „Fragen & Antworten“ konkret und alltagsbezogen be­handle, wie es meine Art ist.
Zu jedem Thema gibt es eine Aufgabe für die innere Entwicklung, ergänzt durch Vorschläge für Affirmationen, eine Ima­gination oder Meditation und unterstützende Heilsteine und Bach-Blüten.

Das Konzept von Sonnwandeln ist einzigartig in seiner Ganzheitlichkeit und seinem Alltagsbezug.
Dabei geht Sonnwandeln einen Schritt weiter als die meisten Ratgeber-Bücher und die spirituelle Literatur, indem es die behandelten Themen nicht nur in einen konkreten Alltagsbezug stellt, vielmehr auch Entwicklungsziele Schritt für Schritt klar definiert und die entsprechenden Aufgaben dazu stellt.

Gebet und Meditation sind eine Seite der Spiritualität, eine wichtige – doch darüber gibt es schon viel Literatur und manche Website.
Deshalb konzentriert sich Sonnwandeln darauf zu zeigen, wie wir die spirituelle Ebene in unseren Alltag einbringen können, im Beruf, in Partnerschaft und Familie, bei Freizeitaktivitäten, mit Freunden und all unseren Mitmenschen, in unseren täglichen Entscheidungen und Taten, durch Krisen und Herausforderungen: Wir lernen Ängste und Wünsche abzubauen, Selbstwert, Urvertrauen und Gleichmut zu stärken – dadurch wachsen wir innerlich und kommen dem Göttlichen näher.

Sonnwandeln steht keiner Religion, Lehre, Kirche, Sekte oder Organisation nahe, ist völlig unabhängig und keiner bestimmten Ideologie verpflichtet. Ich schöpfe aus weltweiter spiritueller, philosophischer und psychologischer Weisheit. Eine Gottfigur der Gebote und Verbote, mit Belohnung und Strafe, findet darin keinen Platz, wohl aber das Göttliche als Absolutes, Einheit, Allheit.

Buchtitel_Der_Sinn_des_LebensDer Sinn des Lebens und die Lebensschule
von Karin Jundt
nada-Verlag
ISBN 978-3-907091-05-0
Paperback, 220 Seiten
EUR 19.00 / ca. CHF 25.00

Erhältlich:
• im Buchhandel und in den Online-Shops

Die Kapitel:
1. Der Sinn des Lebens und unsere Lebensaufgabe
2. Lebensphasen und Lebenskrisen
3. Zufall und Schicksal
4. Freier Wille oder Vorbestimmung?
5. Wille und Wollen
6. Unsere Innere Stimme

Sonnwandeln zeigt Wege auf
• wie wir mit weniger Angst und Sorgen gleichmütiger und zufriedener durch das Leben wandern,
• und im alltäglichen Handeln spirituell wachsen können,
• mit beiden Füssen fest in dieser Welt verankert, ohne asketische Praktiken und Entsagung.

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Noch eine Bitte: Falls euch das Buch gefällt und euch auf eurem spirituellen Weg unterstützt, wäre es für mich sehr hilfreich, wenn ihr eine Bewertung/Rezension in einem oder mehreren Online-Shops abgebt. Vielen Dank!

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Durchs Leben wandern

Die Formulierung „durch das Leben wandern“ verwende ich gerne, nicht nur, weil ich in meiner Freizeit oft lange Wanderungen unternehme. Vielmehr weil eine Wanderung uns dazu dienen kann, Einsichten über unsere aktuelle Lebenssituation zu gewinnen oder uns allgemeine Erkenntnisse zum Leben schenkt. Ja, wir können eine Wanderung ganz bewusst zu diesem Zweck unternehmen. Wir brauchen dann nur die Symbole zu deuten, die uns unterwegs begegnen. Ich erzähle euch von meiner gestrigen Wanderung, dann erkennt ihr sofort, was ich damit meine.

Es war ein sonniger und milder Herbsttag. Ich machte mich auf zu einer Wanderung, deren ersten Teil ich gut kannte, während ich die zweite Hälfte der Strecke noch nie gegangen war. Und von diesem zweiten Teil berichte ich.

Nach dem Aufstieg an der Sonne mit einer fantastischen Sicht auf die schon leicht verschneiten Berge ging es abwärts ins andere Tal. Ich hatte mir bewusst eine Tour ausgesucht, die nur über Wanderwege und nicht über alpine Wege führte, weil ich nicht auf jeden Schritt achten, sondern die Aussicht geniessen wollte.
Ein netter Wunsch, den wir wohl alle haben: ein leichter Lebensweg mit nur Schönem rechts und links. Bis vor knapp vier Jahren war mein Leben der letzten Jahrzehnte tatsächlich sehr sonnig verlaufen, wenn auch nicht immer ohne Anstrengung.

Der Weg war schön breit, etwa drei Meter, und gut zu begehen, bis ich an eine Gabelung kam. Das gelbe Wanderwegzeichen führte hinunter in den Wald und ich sah, dass der Weg schmaler, steiler und ziemlich matschig wurde.
In die andere Richtung verlief „mein“ schöner breiter Weg – nur zeigte leider kein Wegweiser in diese Richtung und ich hatte keine Ahnung, wohin der Weg führte.
Ich nahm an – oder hoffte –, dass der richtige Wanderweg irgendwann wieder auf diesen schöneren Weg führen würde. Und blieb auf dem unmarkierten schönen Weg. Mir war allerdings bewusst, dass ich vielleicht würde umkehren müssen – doch ich bin beim Wandern sehr ausdauernd, auch sechs, sieben Stunden Marsch machen mir nichts aus. Deshalb erschreckte mich der Gedanke eines Umwegs nichts.
Wir entscheiden uns oft für den Weg, der uns leichter scheint. Obwohl äussere Anzeichen dafür sprechen, dass ein anderer Weg sicher richtig wäre, gehen wir den unsicheren. Allerdings dürfen wir auch immer darauf vertrauen, dass es keine „Fehler“ gibt, sondern nur Erfahrungen, und wir immer wieder eine neue Chance bekommen. Und dass das Göttliche uns nie mehr auferlegt, als wir zu tragen vermögen.

Nach einer gefühlten knappen halben Stunde, immer leicht abwärts, angenehm, endete der Weg bei einer in dieser Jahrezeit bereits unbewohnten Alphütte. Es gab keine Möglichkeit, von da weiter zu wandern. Ich musste zurück zur Weggabelung, aber es machte mir nichts aus. Ich setzte mich kurz auf die Bank vor der Hütte und ass ein paar süsse Weintrauben, die ich als Verpflegung mitgenommen hatte.
Der leichte Weg, den wir wider besseres Wissen gehen, führt oft in eine Sackgasse. Wenn wir das erkennen, dürfen wir uns keine Selbstvorwürfe machen, sondern sollten uns kurz besinnen, uns stärken, und uns dann wieder auf den richtigen Weg begeben.
Erstaunlicherweise erreichte ich die Weggabelung viel schneller, als ich angenommen hatte – oder der Weg zurück kam mir nicht so beschwerlich vor.
Einzig unsere Bewertung macht es aus, wie wir eine Situation empfinden, objektiv gibt es nicht Gutes und nichts Schlechtes. Gehen wir eine noch so schwierige Lage mit Gleichmut an, so ist sie viel leichter zu ertragen.
Ich fügte mich also in mein Schicksal und ging den steilen, matschigen Weg hinunter ins Tal. Der Wald war ziemlich dicht, kein Sonnenstrahl kam durch und je weiter nach unten ich kam, desto kühler wurde es – es war die Schattenseite des Berges. Ich trug ein Kurzarm-T-Shirt und Wandersandalen ohne Socken; natürlich hatte ich noch eine Jacke dabei, aber ich hoffte, ich würde bald aus dem Wald herauskommen und die Sonne mich dann wieder wärmen. Doch der Wald hörte und hörte nicht auf, der Weg war stellenweise sehr matschig, ich musste langsam und vorsichtig gehen. Aber meistens kam ich trotzdem gut am Matsch vorbei, ganz am Rand oder weil trockenes Herbstlaub dick über dem Matsch lag. Meistens, doch nicht immer. Meine Füsse waren schon ganz braun vor lauter Schlamm, meine Hosenbeine verspritzt.
Diese Wegstrecke interpretiere ich als meine Lebenssituation der letzten knapp vier Jahre. Etwas dunkel, steil, nicht wirklich gefährlich, aber mit Achtsamkeit und Vorsicht anzugehen. Allerdings auch immer wieder eine Hilfe, ein leichteres Stückchen Weg, und über alles gesehen, doch durch eine schöne Landschaft. Und die unschönen Äusserlichkeiten sollten wir später so leicht wegwischen wie man schmutzige Füsse und Hosen wäscht!
Als sich der Wald ein klein wenig lichtete und ich weiter talwärts blicken konnte – Nebel! Wenn ich beim Wandern etwas nicht mag, dann ist es Nebel. Man verliert schnell die Orientierung, übersieht Wegzeichen. In dem Moment kam ein Hauch von Missmut über mich: So sehr hatte ich gehofft, bald wieder an der Sonne zu sein, und jetzt auch noch das! Bei dieser Wetterlage ist bei uns Nebel in den Bergtälern nichts Aussergewöhnliches, aber ich hatte mir vor meiner Wanderung die Webcams im Internet angeschaut, und nur Sonne gesehen.
Wie ich weiterging, merkte ich, dass der Nebel sich etwa in meinem gleichen Gehtempo hinunter zurückzog.
Was machen wir uns doch immer unnötig Sorgen über Künftiges! Selbst wenn wir weiter vor uns Schwierigkeiten sehen oder vermuten – wer sagt uns denn, dass wir tatsächlich auf sie treffen? Eine ganz wichtige Lebenslektion: Mit Urvertrauen weiter gehen und uns mit den Herausforderungen dann auseinandersetzen, wenn sie wirklich da sind.
Endlich wurde der Weg flacher und breiter, mündete in eine asphaltierte Strasse, bald war der Wald fertig, der Nebel verschwunden und in der Ferne sah ich eine sanfte Hügellandschaft in der Sonne. Ich beschleunigte meinen Schritt, meine Füsse waren inzwischen sehr kalt, auf der schattigen Wiese am Waldrand lag Raureif.
Beinahe wäre ich auf dem unscheinbaren Glatteisfilm auf der Strasse ausgerutscht, ich konnte einen Sturz gerade noch akrobatisch abwenden.
Es ist befreiend, wenn wir nach einer dunklen Zeit am Horizont wieder die Sonne sehen. Manchmal haben wir es jedoch zu eilig, aus einer unangenehmen Lage herauszukommen und werden unvorsichtig. Diese Erkenntnis traf mich gestern bei meinem Ausrutscher wie ein Blitz! Ich sagte mir: „Karin, geh langsam voran, überstürze nichts, sieht es auch noch so vielversprechend aus, lass dem Göttlichen die Zeit, für dich das Beste zu wirken, reiss die Zügel nicht an dich…“ Und eine Woge der Dankbarkeit und Zuversicht durchströmte mich.
Schliesslich, endlich!, war ich wieder an der Sonne, die Strasse schlängelte sich sanft hinunter zum Dorf, noch eine Dreiviertelstunde verriet mir der Wegweiser. Und rot leuchtete etwas weiter unten eine Bank am Wegrand – dort wollte ich eine Weile rasten, etwas essen und trinken und ausruhen, bevor ich dann auf mein Ziel zusteuerte.
Lassen wir uns Zeit, der Weg ist das Ziel. Es geht nicht darum, irgendwo anzukommen, sondern den Weg zu geniessen und vor allem daraus zu lernen.

Viele Male habe ich schon eine Wanderung unternommen, mit der bewussten Absicht, aus den Symbolen Antworten zu finden. Und jedes Mal habe ich wertvolle Erkenntnisse daraus gewonnen.
Ich kann euch empfehlen, wenn ihr einmal Fragen an eure Lebenssituation habt, wenn ihr eine Entscheidung treffen müsst oder Einsichten sucht: geht wandern! Es darf durchaus auch ein Spaziergang sein, Hauptsache ihr geht allein und hinaus in die Natur. Wählt eine Route, die ihr nicht kennt, es ist dann einfacher, sie unvoreingenommen zu begehen. Seid wachsam für alles, was euch auf dem Weg begegnet, spürt, was es in euch auslöst, folgt den spontanten Assoziationen, die in euch aufkommen, nehmt die Einsichten und Erkenntnisse in euch auf.
In diesem Sinne: Ich wünsche euch allen eine frohe Wanderung durchs Leben!

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Fragen zu Urvertrauen und Gleichmut

Interview mit Karin Jundt über Karma YogaLetzte Woche erschien in einigen Schweizer Regionalzeitungen ein Interview mit mir über Karma Yoga. Das Interview hat Gabriele Spiller (GS) geführt, der ich auch an dieser Stelle nochmals herzlich für das bereichernde Gespräch danke.

Das gesamte Interview könnt ihr als PDF-Datei herunterladen.
Die Antworten zu einigen der mir gestellten Fragen will ich nachfolgend noch etwas vertiefen.

GS: Der erste Pfeiler des Karma Yoga besteht im Urvertrauen. Gerade heute sind die Menschen angesichts der Komplexität des Alltags aber sehr verunsichert.
Diese Verunsicherung ist nichts Neues, früher lag sie nur in anderen Herausforderungen, beispielsweise in Missernten und der Willkür der Herrschenden.
Ich gehe oft so weit zu sagen, dass wir überhaupt keinen Einfluss auf unser Schicksal haben, und stosse dabei nicht selten auf Widerspruch. Doch diese Erfahrung haben wir ja alle schon gemacht: Wir bemühen uns, ein Ziel zu erreichen, setzen alles daran, die Vorzeichen sind günstig – und dennoch scheitern wir. Auf der anderen Seite fallen uns manchmal die gebratenen Tauben nur so in den Schoss, ohne dass wir uns angestrengt haben.
Auch sind wir dem Schicksal völlig ausgeliefert, etwa was Tod und Krankheiten betrifft. Ebenso wenn andere Menschen involviert sind, da wir ihnen nicht unseren Willen aufzwingen können, beispielsweise wenn mein Partner mich verlässt oder mein Arbeitgeber mich entlässt.
Wir wünschen und planen zwar, aber was schliesslich daraus entsteht, entzieht sich unserer Macht. Deshalb ist Urvertrauen so wichtig. Wir haben im Grunde genommen gar keine andere Wahl. Entweder wir hadern mit dem Schicksal, verbittern, kämpfen gegen Windmühlen, versinken in Selbstmitleid – oder wir vertrauen darauf, dass immer alles nur zu unserem Besten geschieht, dass wir in dieser Lebensschule geführt und getragen sind. Dass alles einen Sinn hat, selbst wenn wir ihn nicht unmittelbar erkennen.

GS: Der schwierigste Aspekt scheint mir, uneingeschränkt an den höheren Willen zu glauben, der alles sinnvoll lenkt.
Die meisten Menschen glauben an ein Göttliches in irgendeiner Form, mir sind in meinem Leben selten echte Atheisten begegnet. Viele haben jedoch Mühe mit dem Gott, der ihnen als Kind vermittelt wurde. Dazu hat Tolstoi etwas Treffendes gesagt: „Wenn in dir der Gedanke aufkommt, dass alles, was du über Gott dachtest, falsch ist und dass es keinen Gott gibt, so lass dich dadurch nicht verunsichern. Es geht allen so. Meine aber nicht, dein Unglaube rühre daher, dass es keinen Gott gibt. Wenn du nicht mehr an deinen früheren Gott glaubst, so liegt es daran, dass an deinem Glauben etwas falsch war, und du musst versuchen, besser zu begreifen, was du Gott nennst. Wenn ein Wilder aufhört, an seinen hölzernen Gott zu glauben, so bedeutet das nicht, dass es keinen Gott gibt, sondern nur, dass er nicht aus Holz ist.“
Es ist zugegebenermassen manchmal nicht leicht, an einen weisen, allmächtigen, liebenden Gott zu glauben, wenn man sieht, was auf der Welt geschieht, wie viele Menschen leiden. Aber: Wenn wir an eine höhere Macht in welcher Form auch immer glauben, liegt es dann nicht nahe, dass dieses Höhere einen besseren Überblick über das Weltengeschehen hat als wir und weiss, was es tut? Und ist es nicht anmassend, wenn wir meinen, mit unserem unvollkommenen menschlichen Geist verstehen zu können, was dieses Höhere mit der Welt, wie sie ist, bezweckt?
Doch mir liegt es fern, jemanden bekehren zu wollen. Jeder Mensch muss der Wahrheit vertrauen, die in ihm selbst anklingt. Dann wird der persönliche Glaube zu einem Wissen, und nur dann können wir auch danach leben. Alle anerzogenen oder aufgezwungenen Dogmen sind sinnlos, sie führen nur zu Scheinheiligkeit und Heuchelei.

GS: Unser Gleichmut, die dritte Säule des Karma Yoga, wird ja häufig auf die Probe gestellt. Warum passiert gerade mir das, und warum gerade jetzt?
Die Frage nach dem Warum stellen wir uns tatsächlich immer wieder. Präziser muss sie lauten: „Was will mich dieses Ereignis lehren?“ Der Sinn des Lebens scheint in der Evolution zu liegen, allerdings nicht nur in der physichen, sondern vor allem in der geistigen. So ist das Leben selbst unsere Schule, in der wir lernen und uns zur Vollkommenheit hin entwickeln – spirituell ausgedrückt: zur Gottesverwirklichung oder Erleuchtung oder wie man es nennen will.
Daher werden wir – und hiermit ergänze ich auch die vorangehende Frage nach der sinnvollen Lenkung des Universums – an die Erfahrungen herangeführt, durch die wir etwas lernen können. Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg, jeder Mensch hat seine eigenen Lektionen zu lernen. Deshalb haben nicht alle Menschen auf der Welt das gleiche Schicksal.
Was auch immer auf uns zukommt, das Urvertrauen sagt uns: „Das Göttliche wird schon wissen, warum mir das jetzt geschieht. Und ich bemühe mich, die Lektion zu verstehen.“
Der Gleichmut ist dabei ebenfalls unerlässlich, denn er hilft uns, das sogenannt Angenehme und das sogenannt Unangenehme gleichermassen zu akzeptieren. In der Bhagavadgita, einer heiligen hinduistischen Schrift, heisst es: „Wer Glück und Leid, Gold und Schlamm und Stein als gleichwertig betrachtet; wem das Angenehme und das Unangenehme, Lob und Tadel, Ehre und Schande, der Kreis der Freunde und der Kreis der Feinde eins sind; wer beständig in einer weisen, unerschütterlichen und unwandelbaren in­neren Ruhe und Stille weilt; wer keine Tat anstrebt – dieser Mensch steht über dem Wirken der Natur.“ (Bhagavadgita XIV, 24 f.) Es geht also darum, nicht zu werten: Die Dinge sind an sich weder gut noch schlecht, erst durch unsere Bewertung machen wir sie zu etwas Erwünschten oder etwas Verhasstem.
Gelingt es uns, mehr Gleichmut zu entwickeln, so leben wir gesamthaft zufriedener. Denn in 95 Prozent unseres Alltags reiben wir uns an Banalitäten, etwa dass das Wetter schlecht ist, wenn wir wandern gehen wollen, oder dass die Kinotickets für einen Film schon ausverkauft sind, oder dass das Essen im Restaurant nicht unseren Erwartungen entspricht und und und. Diese Alltagssituationen mit Gleichmut anzunehmen ist nicht allzu schwer, haben wir die Einsicht einmal gewonnen. Und es ist die richtige Übung für den Fall, dass uns einmal ein wirklich schwerer Schicksalsschlag trifft.

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Alles hat einen Sinn

Als ich vor einigen Tagen auf dem Bahnsteig stand und auf den Zug wartete, näherten sich mir zwei Frauen, etwa Mitte 30, die heftig miteinander diskutierten.
„Diesen esoterischen Spruch ‚Alles hat einen Sinn‘ kann ich nicht mehr hören! Verschon mich damit!“, sagte die eine ziemlich aufgebracht. Die andere wollte etwas erwidern, kam jedoch nicht zu Wort, weil die erste gleich weiterfuhr: „Würdest du das auch einer Mutter sagen, deren Kind gerade gestorben ist?“

Schon waren die beiden an mir vorbei und ausser Hörweite. Doch es machte mich nachdenklich. Wie oft hatte ich doch diesen oder einen ähnlichen Spruch schon gesagt! Eine so heftige Reaktion war mir jedoch nie entgegengebracht worden. Und es ist nun einmal das, woran ich glaube und was ich in meinem Leben schon unzählige Male erfahren habe. Natürlich sage ich es nicht zu jedem und in jeder Situation; ich vertraue darauf, dass meine Innere Stimme mir schon die richtigen Worte auf die Zunge legt, wenn es darum geht, jemanden zu trösten und ihm Mut zu machen.

Mir wurde dieser Satz zum ersten Mal von einer weisen Frau gesagt, als mein Partner gestorben war. Und mir hat er damals gutgetan! Er hat mir zwar den Verlustschmerz nicht nehmen können, aber er hat ein kleines Licht der Zuversicht angezündet, dass alles gut wird. Später habe ich dann tatsächlich auch verstanden – also den Sinn erkannt –, warum ich meinen Partner durch den Tod verlieren musste.

Am berührendsten war dieser Satz für mich aber, als ich ihn einmal aus dem Mund einer Freundin hörte, deren Kind an einem äusserst aggressiven bösartigen Tumor erkrankt war. Sie sagte, mehr zu sich selbst als zu mir: „Es wird schon einen Sinn haben… auch wenn ich ihn überhaupt nicht sehe und wahnsinnig Angst habe, meinen Kleinen zu verlieren.“ Und sie weinte dabei.

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Freedom is just another word…

… for nothing left to lose (Freiheit ist bloss ein anderes Wort für Nichtsmehrzuverlierenhaben) – sang Janis Joplin in ihrem Lied „Me and Bobby McGee“ gestern im Radio. Ich drehte die Lautstärke voll auf und es lief mir kalt den Rücken hinunter. Beim Ausklingen wurde mir wieder einmal schlagartig bewusst, wie sehr unsere Anhaftung an Dinge und Menschen unsere innere und äussere Freiheit einschränkt. Darüber – ebenfalls inspiriert von diesem Song – habe ich früher schon auf dieser Website geschrieben, siehe hier.

Was ich gestern aber noch schmerzlicher realisiert, ja plötzlich beinahe physisch gespürt habe: Die Anhaftung frisst eine Menge Energie. Energie, die uns dann fehlt für Initiativen, Unternehmungsgeist, Entscheidungen, bis hin zur Lebensfreude.
Egal was das Objekt unserer Anhaftung ist, ein Besitzstück (wie ein Haus), unser Job, ein geliebter Mensch, eine Lebensweise – immer ist ein Teil unserer Energie in dieser Anhaftung gebunden, sei es in der Angst, das Objekt nicht zu erlangen oder zu verlieren, sei es in glücklichen Gedanken daran. Meistens ist uns nicht bewusst, wie viel Energie wir darin verschleudern, denn unsere Sorge oder Freude steht nicht ständig im Vordergrund unserer Gedanken, vielmehr irgendwo im Hinterkopf oder in einem verborgenen Winkel unseres Herzens.

Was können wir gegen die Anhaftung und besonders gegen diese Energieverschwendung tun, wie können wir uns daraus befreien und diese Freiheit erlangen, die wir nur geniessen, wenn wir nichts besitzen, was wir zu verlieren fürchten?

Natürlich: Urvertrauen, Gleichmut und Selbstliebe helfen dagegen. Heute möchte ich euch aber zwei konkretere Anregungen geben, über die ich bei meinem langen Spaziergang vorhin nachgedacht habe – in eigener Sache, denn ich spüre, wie ich selbst in letzter Zeit ebenfalls der Anhaftung an eine bestimmte Lebensweise erlegen bin.

• Treffen wir unsere Entscheidungen und handeln wir so, als ob es das Objekt unserer Anhaftung nicht gäbe. Mit anderen Worten: Die Anhaftung ist zwar da, aber wir übergehen sie einfach, wir lassen uns durch sie nicht an dem hindern, was wir tun möchten.

• Arbeiten wir ganz intensiv an unserem Urvertrauen. Also: Vertrauen wir darauf, dass wir im Leben geführt werden, und zwar dahin, wo es gut für uns ist, und hören wir deshalb auf, etwas Bestimmtes zu wollen oder nicht zu wollen. Sagen wir mit tiefer Überzeugung zum Göttlichen: Dein Wille geschehe.

Zu diesen beiden Punkten muss ich unbedingt ergänzen, dass der Grat zwischen „mich führen lassen“ und „eine Sache schlittern lassen“ ein ganz, ganz schmaler ist! Gerne und oft zitiere ich das Gebet:

Lieber Gott, gib mir die Kraft und den Mut zu ändern, was ich ändern kann, die Gelassenheit zu ertragen, was ich nicht ändern kann, und die Weisheit zwischen den beiden zu unterscheiden.

Dass selbst dieses Lebensmotto sich wegen der Schwierigkeit der weisen Unterscheidung nicht immer so einfach anwenden lässt, zeigt mein eigenes Beispiel. Ich befinde mich seit geraumer Zeit in einer Lebenssituation, die mir nicht gefällt. Ich kann abwarten, bis mir eine Entscheidung von aussen aufgezwungen wird, sie wird früher oder später unweigerlich kommen. Oder aber ich kann die Situation selbst ändern, allerdings habe ich keine echten Wahlmöglichkeiten, ich kann mich nämlich nur für eine Richtung entscheiden, und zwar für diejenige, in die ich nicht will.
Hm… nicht will? Wollen, nicht wollen… Solche Formulierungen sollten uns immer stutzig machen. Befinde ich mich in dieser Situation mit nur einem ungeliebten Ausweg, weil ich lernen soll, sie mit Gelassenheit zu ertragen, bis das Göttliche mich in die von Ihm bestimmte Richtung führt?
Oder erwartet das Göttliche von mir, dass ich mein Leben endlich selbst in die Hand nehme und die Entscheidung treffe, war ich bisher einfach nur zu feige dazu?
Wie viel Ego steckt im Ändernwollen, wie viel im Nichtändernwollen?

Ich weiss es nicht. Meine Innere Stimme, die mich sonst so zuverlässig leitet, schweigt. Wahrscheinlich weil ich mich an eine andere meiner Lebensweisheiten halten soll: Solange ich nicht ganz sicher weiss, in welche Richtung ich gehen soll, ändere ich nichts an meiner Situation. Zumindest nichts Entscheidendes, sondern ich treffe nur, wie oben unter dem ersten Punkt erwähnt, meine „kleinen“ Entscheidungen unabhängig vom Objekt meiner Anhaftung.

Bringen wir einerseits den Mut auf, die Anhaftung zu übergehen und unseren Weg zu beschreiten, und andererseits das Urvertrauen und den Gleichmut, unser Wollen/Nichtwollen loszulassen, vergeuden wir zumindest darin keine Energie mehr. Damit ist schon viel gewonnen.

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Der Planet, auf dem Gott wohnt

Ich wollte über einiges meiner gegenwärtigen Lebenssituation nachdenken und bin mit dieser Absicht für ein paar Tage ans Meer gefahren, allein.
Unterwegs im Auto hörte ich einen Science-Fiction-Roman von Andreas Eschbach, „Quest“, ein Audiobuch, das mein Liebster mir eine Woche davor gegeben hatte. Science-Fiction ist nicht gerade mein bevorzugtes Genre, aber da ich von diesem Autor schon einiges gelesen hatte und ihn tiefgründiger wusste als irgendeiner, der einfach über Aliens und interstellare Kriege schreibt, hatte ich einmal hinein gehört und die spannende Geschichte packte mich schnell. So fand ich es auch eine gute Ablenkung von meinen Gedanken, die ich mir für die langen Spaziergänge am Strand aufsparen wollte.
Etwa eine Stunde bevor ich mein Ziel am Meer erreichte, kam ich im Roman an eine Stelle, die mich aufhorchen liess. Bis dahin wusste man nicht, worum es Quest, dem todkranken Kommandanten des Raumschiffs, wirklich ging. Man wusste zwar, dass er den sagenumwobenen „Planeten des Ursprungs“ suchte, von dem alles Leben des Universums ausgegangen sein soll. Aber erst jetzt, fast am Schluss des Romans, erfährt man, dass er ihn suchte, weil auf ihm angeblich Gott wohnt, und diesem Gott zürnte er und er wollte ihm die Meinung sagen und von ihm endlich wissen, warum so viel Schreckliches passiert war in seinem Leben.
Nun hatten sie den Planeten des Ursprungs also endlich gefunden und das Raumschiff befand sich auf einer Umlaufbahn um ihn. Nur Quest ging auf den Planeten hinunter, während die anderen im Raumschiff blieben und auf ihn warteten. Lange, sehr lange, bis er endlich zurückkehrte.
Natürlich fragten sie ihn, was er erlebt habe. Er erzählte, er sei einfach herumgelaufen und habe irgendwann angefangen Gott zu rufen und ihm schliesslich, ohne ihn zu sehen oder zu spüren, seinen ganzen Groll herausgeschrien.
„Und dann?“, fragte ein Besatzungsmitglied, „Was geschah dann?“ Alle waren äusserst gespannt.
Aber Quest antwortete nur: „Nichts. Es geschah nichts.“
Er war frustriert, verzweifelt gewesen, dass er nach der Mühsal, um Gottes Planeten zu finden, nichts erreicht, keine Antwort auf seine Fragen gefunden hatte. Er sagte:

Ich habe einfach aufgegeben. Vielleicht gibt es überhaupt nichts, das man finden könnte, womöglich existiert nichts, das man erreichen könnte. Das ging mir wie ein Blitz durch den Kopf. Ich hatte plötzlich das Gefühl, das Spiel zu durchschauen. Ein infames Spiel. Wir sind so geschaffen, dass wir den Drang in uns fühlen, nach etwas zu streben, etwas zu wollen, uns nach etwas zu sehnen. Aber wir wissen nicht genau was eigentlich. Solange wir jung sind, suchen wir es in der Liebe zwischen Mann und Frau, später im Reichtum, im Einfluss, in Reisen oder Abenteuern. Und immer wenn wir etwas erreicht, etwas gefunden, etwas erlangt haben und feststellen, dass es nicht das war, wonach wir gesucht haben, sagen wir uns, dass wir einfach noch ein Stück weiter gehen müssen, dass es nicht mehr weit sein kann, dass es gleich um die nächste Ecke sein muss, endgültig und ein für alle Mal.
Aber was, wenn dieser Drang einfach ins Leere läuft, wenn er uns nach etwas suchen lässt, das überhaupt nicht existiert, wenn er nur dazu da ist, uns ein Leben lang in Bewegung zu halten, damit das Schauspiel immer weiter geht, das Drama der Hoffnungen und Leidenschaften, über das ein böser Gott sich amüsiert?
Ich beschloss, mich zu verweigern, ich beschloss mich hinzusetzen und nichts mehr zu tun, einfach nichts mehr zu wollen oder zu wünschen, auch nur zu denken, weil mein Denken bloss eine andere Art des Wollens, Planens und Strebens gewesen wäre.
Also habe ich mich hingesetzt und beschlossen, absolut nichts mehr zu tun, egal was passieren würde. Ich sagte mir, dass ich im schlimmsten Fall sterben würde, aber das würde ich sowieso. Und so habe ich es gemacht, ich habe mich hingesetzt und mich geweigert, irgendetwas zu tun.
[…]
Ich sass einfach nur da. Ich fiel in dämmrigen Schlaf, schreckte immer wieder hoch, doch als die Müdigkeit übermächtig wurde, wehrte ich mich nicht mehr und sank zur Seite. Ich weiss noch, dass ich dachte, ich würde nun sterben, und dass es mir gleichgültig geworden war. Aber ich bin wieder aufgewacht. Ich lag da, starrte vor mich hin, in das Gespinst der Flechten und es war mir egal, dass ich noch lebte. Ich wartete nicht einmal mehr auf irgendetwas. Ich hatte sogar aufgehört, mich zu verweigern.

Wundervoll, dieses vollständige Loslassen! Es erinnerte mich an die Geschichte des Buddha, der alles versucht hatte, um die Erleuchtung zu erlangen, und es nicht geschafft hatte – bis er sich unter einen Baum setzte und aufgab.
Das Hörbuch ging noch weiter, Quest sagte: „Und dann… ist es geschehen.“ „Was? Was ist geschehen?“, fragten die anderen, „Ist dir Gott erschienen?“
Und so ging die Geschichte weiter:

„Gott…“. Quest sprach das Wort aus, als würde er es schmecken. „Nein. Ich glaube nicht. Oder vielleicht doch. Wir irren uns alle völlig, das weiss ich jetzt. Die Wahrheit ist unfassbar anders, als wir denken.
Ich habe eine andere Welt gesehen. Oder ich habe diese Welt gesehen, nur mit anderen Augen. Wenn ich euch nur sagen könnte, was ich gesehen habe! Es ist alles so viel gewaltiger, als wir es uns auch nur erträumen können. Die Wahrheit ist so wunderbar, dass es einen umbringen kann, sie zu erfahren.“
Urplötzlich lachte er auf, lachte laut und lauter, brüllte beinahe, während sie ihn entsetzt beobachteten. Dann beruhigte er sich wieder, fand zu einem gelösten, heiteren Lächeln zurück, wie man es auf seinem Gesicht noch niemals gesehen hatte.
„Ihr werdet das nicht verstehen, aber ich muss es euch doch sagen. Das Leben ist absurd, unsere ganzen Ambitionen, unsere ganzen Enttäuschungen sind lächerlich, unsere Schmerzen sind lächerlich, sogar ich selbst“, fügte er hinzu und zuckte förmlich vor Heiterheit, „bin absolut lächerlich.“
„Ich glaube, ich will auch da hinunter fliegen“, entfuhr es einem der Männer.
„Das könnt ihr tun“, sagte Quest mit einem seltsam unersten Ernst. „Aber glaubt mir, man kann Gott nicht besuchen, eine Tasse Tee mit ihm trinken, sich nett mit ihm unterhalten und dann wieder seiner Wege gehen. Denkt daran: Dort hinab zu gehen, bedeutet, sein Leben einzubüssen, ohne zu wissen, was danach kommt.“

Ich war tief berührt. Alles Weisheiten, die ich längst kannte. Aber offenbar war es nötig, dass mich jemand wieder einmal daran erinnerte.
Hör auf zu wollen! Hör auf zu planen! Gib dem Göttlichen die Chance, dich zu führen, zu dem, was gut für dich ist, ohne dass du die Richtung vorgeben willst! Lass los! Vergiss nicht, dass du mit Gott eine Tasse Tee getrunken hast – du kannst nie wieder einen anderen Weg gehen.

Als ich später am Strand barfuss dem Wassersaum entlang ging, erklangen diese Erkenntnisse in mir, nicht im Kopf, sie schwangen in meiner Seele. Seit langem hatte ich nicht mehr diesen Frieden in mir gefühlt, diesen Gleichmut, dieses Loslassen.
Und in dieser Hingabe, in der absoluten Stille meiner Gedanken, waren plötzlich all die Antworten in mir, nach denen ich wochen- und monatelang gesucht hatte.

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Wenn du wachsam bist…

… ist das Leben ein spannendes Abenteuer. Ständig begegnen dir Menschen, die dir etwas zu sagen haben, selbst wenn sie nicht mit dir sprechen. Laufend erlebst du Ereignisse, die voller Bedeutung für dich sind, sobald du hinter ihre Äusserlichkeit schaust. Immer zieht sich ein roter Faden durch dein Leben und wenn du ihm aufmerksam folgst, entdeckst du jeden Tag in den Herausforderungen die Chance, innerlich zu wachsen, in den glücklichen Augenblicken die Geschenke der Gnade, in den Momenten tiefster Traurigkeit das Tor zu dir selbst und in unerträglichem Schmerz eine tröstende, helfende Hand, bereit dir alle Last abzunehmen.

Wenn du wachsam bist, macht alles Sinn. Nichts ist Zufall, was dir widerfährt, nicht die Ereignisse, die du als angenehm empfindest, noch die, welche dir Kummer machen. Das Leben verschwendet keine Zeit und verpasst keine Gelegenheit dir etwas beizubringen, dir die Richtung zu weisen, dich auf den Weg zurückzuführen, wenn du dich verirrt hast. Solange du glücklich bist, tief innen zufrieden, brauchst du an deinem eingeschlagenen Weg nichts zu ändern. Aber wenn du leidest, ist es das untrügliche Zeichen, dass du in deinem Leben etwas ändern musst – und sei es nur die innere Einstellung dem Schmerz gegenüber, indem du lernst, dass alle Gegensätze nur Illusion sind: Kälte und Hitze, Hunger und Sättigung, Krankheit und Gesundheit, Armut und Reichtum, Freud und Leid, alle sind sie nur Ausdruck des Einen, und es gibt keinen Grund, das eine zu mögen und das andere zu hassen.

Wenn du wachsam bist, erkennst du in allem Symbole und Zeichen. Du nimmst sie wahr und bemühst dich, sie zu deuten und zu verstehen; selten gelingt es dir sofort, manchmal erst nach Jahren, oft gar nicht. Aber du weisst auch, dass selbst Deuten und Verstehen nicht wichtig sind, wenn du darauf vertraust, dass das Göttliche dich führt und lenkt und in jedem Augenblick deines Lebens für dich sorgt.

Wenn du wachsam bist, siehst du dieses dein Leben als eine Etappe auf einer unendlich langen Wanderung; was bereits hinter dir liegt, hast du vergessen, was dir noch bevorsteht, kennst du nicht. Von den Hindernissen, die du auf deinem Weg findest, weisst du nie, ob sie deinen Mut und deine Kraft fördern wollen, indem du sie überwindest, oder ob sie dich zur Umkehr ermahnen. Und wenn du eine prachtvoll bunte, duftende Blumenwiese erreichst, bist du nicht sicher, ob sie dich zum Pflücken einlädt oder deine Enthaltsamkeit gegenüber der Versuchung prüfen will. Aber du weisst, dass – wie immer du auch entscheidest – weder das eine falsch noch das andere richtig ist. Du vertraust darauf, dass alles stets zu deinem Besten geschieht.

Wenn du wachsam bist, nimmst du deine Wanderung durchs Leben leicht, ob der Pfad steil, steinig ansteigt oder sanft über blühende Wiesen führt. Und du freust dich ebenso über süsse Heidelbeeren am Wegrand und die frische Quelle wie über den verstauchten Fuss und die schmerzenden Knie.

Wenn du wachsam bist, erkennst du, dass diese Welt und dieses Dasein keine Illusion sind, denen zu entfliehen es gilt, sondern dass sie das liebevolle Werk des Göttlichen sind und dass sein Geist allem – dem Schiefer, der Alpenrose, dem Steinbock, dem Hirtenjungen, aber auch der Seilbahn zum Gipfel und dem Flugzeug, das über den Bergen kreist – innewohnt. Und du siehst, dass sie zwar noch nicht vollkommen, jedoch auf dem Weg zur Vollkommenheit sind, und du weisst: Nicht indem du andere änderst, trägst du zum grossen Werk bei, sondern nur wenn du an deiner eigenen Vollkommenheit arbeitest.

Wenn du wachsam bist, ist das Leben ein Schauspiel, in welchem dir die Hauptrolle zugeteilt ist. Für dich ist nur deine eigene Rolle von Bedeutung, nur in ihr kannst du dich verwirklichen, nur dank ihr kannst du dich entwickeln. Du bist Akteur in einem Stück, dessen Bühne die ganze Welt ist und dessen Ablauf nur der Grosse Regisseur kennt, der das Drehbuch auch geschrieben hat. Deine Aufgabe ist es, seinen Anweisungen in der Stimme deiner Seele zu folgen und deine Rolle so gut wie möglich zu spielen – ganz gleich, welche es gerade ist, die eines Bettlers oder die eines Königs, die eines unbeschwerten Kindes oder die eines sterbenden Greises.

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Der Tod – immer ein unerwarteter Gast

Das Thema meines letzten Beitrags lässt mich noch nicht los. Von einem gewissen Alter an kommt es nun einmal immer häufiger vor, dass wir geliebte Menschen durch Tod verlieren. Deshalb noch einige weitere Gedanken dazu.

Tagtäglich kommen wir mit dem Tod in Berührung: Wir lesen in der Zeitung, sehen im Fernsehen Bilder von Toten durch Unfälle, Naturkatastrophen, Verbrechen, Kriege; auch in unserem näheren oder weiteren Umfeld, im Bekanntenkreis oder am Arbeitsplatz, stirbt von Zeit zu Zeit jemand oder erleidet eine lebensbedrohliche Krankheit. Obwohl der Tod also allgegenwärtig ist, leben wir nicht wirklich Seite an Seite mit ihm: Sobald er an unsere eigene Türe klopft, erschrecken wir gewaltig und wollen nichts mit ihm zu tun haben.
Der Tod betrifft immer nur die anderen, wir rechnen nicht mit diesem unerwünschten Gast. Raubt er uns einen Menschen, der uns wirklich na­hesteht, sind wir völlig unvor­bereitet und müssen von Grund auf lernen, mit dem Schmerz und dem Verlust umzugehen.

Wäre es denn sinnvoll, mit dem Tod zu leben, bevor der Ernstfall tatsächlich eintritt? Ist es überhaupt möglich, ihn in der Theorie vorwegzunehmen, lernen mit ihm umzugehen, solange er nicht wirklich präsent ist? Stellt er nicht immer eine „Ausnahmesituation“ dar?
Vermutlich nützt uns eine gemachte Erfahrung, sei es in der Realität oder lediglich durch die gedankliche und emo­tionale Auseinandersetzung, für einen künftigen To­desfall nicht viel: Jeder ist etwas anderes und von Neuem unbekannt. Uns auf den konkreten Tod eines geliebten Menschen vorzubereiten, wird uns wahrscheinlich nicht gelingen.

Sinnvoller ist es – und das hilft uns bei jedem Verlust, ob durch Tod oder durch Trennung –, die Eigenschaften und Werte in uns aufzubauen und zu stärken, die uns in jeder Lebenssituation tragen: Urvertrauen, Gleichmut und die Hingabe an das Göttliche.

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Der „heilige Mann“ und der Sünder

Wieder einmal eine Geschichte aus dem alten Indien. Viel Freude beim Lesen!

Gott schickte den heiligen Narada zur Erde, um fromme Menschen aufzusuchen. Als erstes begegnete er einem alten Asketen; dieser erzählte ihm, nicht ohne Bitterkeit, er hätte 80 Jahre lang die strengsten Praktiken und härteste Selbstdisziplin ausgeübt, aber ohne besonderen Erfolg. Als Narada ihm eröffnete, er sei ein Bote Gottes, sagte ihm der Asket: „Wenn du also Gott das nächste Mal siehst, frag ihn, warum er mich trotz meines frommen Lebens bis jetzt nicht erhört hat.“ Narada versprach es ihm und ging weiter.
Er rastete an einem Ort, wo ein junger Mann versuchte einen Zaun zu bauen; er war aber stockbetrunken und fluchte, weil es ihm nicht gelang, die Pfähle in die Erdlöcher zu rammen. Narada bot ihm seine Hilfe an, aber der Betrunkene erwiderte, er werde nur die persönliche Hilfe Gottes annehmen, seines Freundes, der Verstecken mit ihm spiele und sich davor drücke, ihm bei der Arbeit zu helfen! Narada war empört über diese Gotteslästerung und gab sich zu erkennen. Da forderte der junge Mann ihn auf, Gott zu fragen, warum er ihn bisher nicht besucht habe, obwohl er doch schon so lange auf ihn warte.
Nachdem Narada zu Gott zurückgekehrt war, erzählte er ihm, was er mit dem Asketen und dem Betrunkenen erlebt hatte. Gott, der die beiden natürlich kannte, äusserte sich liebevoll über den jungen Mann und bekräftigte seine Weigerung, sich dem Asketen zu zeigen. Narada wunderte sich sehr darüber.
Um ihm zu beweisen, wer von den beiden der wahre Suchende sei, schickte Gott Narada nochmals auf die Erde und trug ihm auf, beiden folgende Botschaft zu überbringen: „Gott ist momentan damit beschäftigt, Millionen von Elefanten durch Nadelöhren zu zwängen. Aber wenn er damit fertig ist, wird er dich besuchen.“
Narada überbrachte die Nachricht zuerst dem Asketen. Dieser erzürnte sehr und schrie: „So ein Blödsinn, Elefanten durch Nadelöhren zwängen! Ihr macht euch nur über mich lustig und er wird nie zu mir kommen – oder vielleicht gibt es gar keinen Gott und ich habe mein Leben mit Busse und Enthaltsamkeit verschwendet!“ Er warf alles hin und machte sich auf, die versäumten Genüsse des Lebens nachzuholen.
Narada war schockiert und beeilte sich, den jungen Mann aufzusuchen und ihn mit der gleichen Botschaft zu konfrontieren. Als dieser Gottes seltsame Aussage hörte, machte er Luftsprünge vor Freude und rief: „Gott hat mich erhört, er wird zu mir kommen! Was hat es schon zu bedeuten, dass er Millionen von Elefanten durch Nadelöhren zwängt: Mit Seiner Allmacht kann er das in einer Sekunde tun! Und dauerte es auch eine Ewigkeit, sein Versprechen genügt mir: Er wird zu mir kommen, irgendwann!“

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