Menschen, die sich um ihre Selbstveränderung bemühen, sei es die spirituelle Entwicklung oder das innere Wachsen auf anderen Gebieten, empfinden dabei immer wieder einmal ein Gefühl der „Leere“, das meistens nach einer intensiven Phase auftritt. Ich gebe ein konkretes Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung.
Als ich mich vor vielen Jahren dem Ziel verschrieb, meine Anhaftung an meinen Lebenspartner zu überwinden und ihm nur noch „reine“ Liebe zu schenken, spürte ich nach einigen Wochen intensiven Bemühens (durch Meditation, Erkenntnis, praktische Übungen), wie die Anhaftung nachgelassen hatte. Mit Schrecken stellte ich aber fest, dass ich auch keine Liebe mehr für meinen Partner empfand, es war nur Leere da. War mit der Anhaftung also auch die Liebe verschwunden? Bedingt das Loslassen der Anhaftung auch das Loslassen der Liebe? „Das kann doch nicht sein!“, dachte ich.
Tatsächlich kam nach einer Weile die Liebe zurück, stärker, „reiner“ als zuvor. Nach dem Überwinden der Anhaftung hatte ich mich bloss in einem Zustand der Schwebe befunden, der dann nach ein paar Tagen vorbei war.
Ein solches Phänomen ist generell recht häufig zu beobachten, wenn wir einen Schritt von einer Bewusstseinsebene auf die nächsthöhere machen, besonders auch beim Überwinden von Verhaltensmustern. Wir können es uns bildlich so vorstellen: Wir heben einen Fuss vom festen Grund und setzen ihn eine Stufe höher. Während dieses Vorgangs und bis wir den zweiten Fuss nachgezogen haben, hängen wir zwischen zwei Stufen, das Gleichgewicht ist etwas labiler, wir sind zwar nicht mehr unten, aber auch noch nicht richtig oben. Oft empfinden wir in diesem schwebenden Zustand neben der Leere auch Mutlosigkeit oder Ungeduld, weil alles stillzustehen scheint, kein offensichtlicher Fortschritt erkennbar ist.
Doch unsere innere Entwicklung geschieht wie hinter einem Schleier: Lange ändert sich vermeintlich nichts – plötzlich stellen wir dann aber mit Erstaunen und Freude fest, dass wir einen Schritt vorangekommen sind, eine Stufe erklommen haben.