In allen Religionen ist die Nächstenliebe ein wichtiges Thema; den ersten Teil der Aussage Jesu „Liebe deinen Nächsten“ nehmen wir also selbstverständlich an und bemühen uns ehrlich darum. Weit weniger beachten wir oft den zweiten – genauso wichtigen – Teil: „wie dich selbst“.
Sich selbst lieben heisst seinen wahren Wert erkennen, diesen Wert, der nicht darauf gründet, was und wie viel wir besitzen und leisten, ob wir schön, intelligent, gesund, ehrlich sind, gut oder böse, mutig oder feige, fleissig oder faul, nützlich für unsere Mitmenschen und die Gesellschaft oder Schmarotzer. Einzig und allein die Tatsache, dass wir existieren und das Göttliche in uns ist und wir Teil des Göttlichen sind, ist bestimmend für unseren Wert. Wir sind an sich wertvoll! Mich selbst lieben heisst deshalb: Ich erkenne mich, als was ich bin, und nehme mich an, wie ich bin.
Es ist wichtig für unsere Zufriedenheit, dass dieses Selbstwertgefühl und unsere Selbstliebe auch wirklich aus uns selbst entspringt. Beziehen wir es nämlich von „ausserhalb“, beruht es also darauf, wie andere uns (be)werten, ist es sehr zerbrechlich und leicht zu zerstören, ebenfalls von aussen: Wie oft genügt schon ein Tadel, eine hässliche Bemerkung, eine Zurückweisung, um unser Selbstvertrauen und unser Selbstbewusstsein in den Keller sinken zu lassen!
Sich selbst lieben ist nicht narzisstische Selbstverliebtheit oder Egoismus, wie es manchmal missverstanden wird, ebenso wenig wie Besitzansprüche und Erwartungen mit Nächstenliebe zu tun haben!
Allgemein gültige Regeln, wie weit gesunde Selbstliebe gehen soll, gibt es nicht; eine Orientierung kann die folgende Überlegung geben. Wir allein tragen die Verantwortung für unser Leben und wir haben das Recht, ja die Pflicht, in jeder Situation selbst darüber zu bestimmen. Somit sollten wir für alles, was unser Leben beeinflusst, auf unsere innere Stimme hören und niemandem erlauben, in unseren Lebensplan zu pfuschen. Natürlich sind in unsere Entscheidungen und Verhaltensweisen meistens auch andere Menschen verwickelt, mehr oder minder stark; sie werfen uns dann manchmal vor, egoistisch und Schuld an ihrem Elend zu sein!
Doch Aussagen im Stil: „Durch deine Entscheidung machst du mich unglücklich“, und noch extremer: „Du bist Schuld, dass ich trinke“ oder „Wenn du mich verlässt, bringe ich mich um“ entspringen dem Ego des anderen und sind seine freie Entscheidungen für sein Leben – damit haben wir nichts zu tun. (Umgekehrt gilt natürlich auch, dass wir nicht in den Lebensplan anderer pfuschen dürfen und deren Entscheidungen und Handlungen respektieren und akzeptieren müssen.)
Mehr zum Thema Selbstwertgefühl und Selbstliebe auch auf meiner Website Selbstliebe.
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