Wo beginnt und wo endet unsere Verantwortung?

Im vorangehenden Artikel vom 10. Februar habe ich das Thema „Verantwortung“ aufgegriffen. Dazu gibt es noch einige Präzisierungen.

Worin liegt die eigene Verantwortung?
Ich habe gesagt, dass wir die Verantwortung für unser Leben und unser Tun dem Göttlichen übergeben und dadurch leichter und sorgenloser leben können – wie der König in der Geschichte.
Dazu eine scheinbar widersprüchliche Aussage: Selbstverständlich tragen wir die Verantwortung für unsere Taten! Wir können beispielsweise nicht willentlich jemanden töten mit der Rechtfertigung: „Ich habe nur gehandelt, wie ich es für richtig hielt. Gott wollte offenbar den Tod dieses Menschen, sonst hätte er ihn ja gerettet.“ Wir sind immer für unser Handeln verantwortlich und tragen die Konsequenzen, die das Göttliche für uns bestimmt. Wir haben zwar nicht die Macht, in das Schicksal eines anderen einzugreifen, das liegt allein in Göttlicher Hand, aber wir haben den freien Willen, es gewissermassen zu versuchen – und dafür lasten die Konsequenzen immer auf uns selbst. Für unser Beispiel des Tötens eines Menschen heisst das: Der Göttliche Wille hat für diesen Menschen wohl den Tod vorgesehen und braucht ein Werkzeug dazu. Dieses Werkzeug kann aber auch in einer Krankheit oder Naturkatastrophe bestehen – das muss nicht ich sein!
Tröstlich ist jedoch, dass wenn wir uns ehrlich bemüht haben, die richtige Entscheidung zu treffen und gewissenhaft zu handeln und es „schief“ geht, so hatte offenbar der Göttliche Wille etwas anderes bestimmt und wir brauchen uns nicht mit Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen zu quälen. Und die Konsequenzen, denen wir ausgesetzt sind, selbst schmerzhafte, dienen ausschliesslich dazu, dass wir Erkenntnisse daraus ziehen und für die Zukunft lernen; in diesem Sinne sollen wir die Folgen unseres Handelns nie fürchten.

Und wo endet unsere Verantwortung?
Oft übernehmen wir, gefragt oder ungefragt, Verantwortung für andere Menschen oder diese versuchen sie uns aufzubürden – oft meinen wir, für sie verantwortlich zu sein, sind es aber in Wirklichkeit nicht. Wenn ich beispielsweise meinen Partner verlasse, egal aus welchen Gründen, und er lässt sich aus Verzweiflung total gehen, beginnt zu trinken, verliert seine Stelle, endet als Obdachloser oder was auch immer, so trage ich nicht die Verantwortung!
Bei vielen unserer Entscheidungen und Verhaltensweisen sind auch andere Menschen mit betroffen, mehr oder minder stark; sie werfen uns dann manchmal vor, egoistisch und Schuld an ihrem Elend zu sein. Doch Aussagen im Stil: „Durch deine Entscheidung machst du mich unglücklich“, und noch extremer: „Du bist Schuld, dass ich trinke“ oder „Wenn du mich verlässt, bringe ich mich um“ entspringen allein dem Ego des anderen und sind seine freie Entscheidung für sein Leben – damit haben wir nichts zu tun.
Für erwachsene, mündige Menschen trägt nie ein anderer die Verantwortung. Wir tragen sie jedoch für die Wesen, die dazu nicht in der Lage sind: unsere Kinder, Tiere und Pflanzen, ja selbst die „Dinge“ – und diesen sollen wir Sorge tragen.

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Lernen aus Ereignissen

Im Prinzip will uns jedes Ereignis etwas lehren, nichts geschieht ohne Sinn, auch das nicht, was wir zuweilen als „Zufall“ oder „Schicksal“ bezeichnen. Doch manchmal findet der Verstand keine Erklärung, welches die „Lektion“ in unserer Lebensschule ist; das bedeutet aber nicht, dass unsere Seele keine Lehren daraus zieht.
Wir bestehen aus einem mentalen, einem emotionalen, einem körperlichen und einem seelischen (spirituellen) Element, die alle miteinander verwoben sind, aber durchaus auch eigenständig agieren und Erfahrungen sammeln können.
Wenn wir beispielsweise Klavierspielen lernen, werden unsere Hände am Anfang vom Verstand gesteuert, es bedarf eines Denkprozesses, um die richtige Taste anzuschlagen: Auf dem Notenblatt sehen wir, dass als erste die Note C kommt, wir wissen auch, welche Taste das C ist, und schicken dann unseren Finger dahin; das Gleiche geschieht mit der nächsten Note, dann mit der übernächsten und so fort. Mit der Zeit, nachdem wir das Stück wieder und wieder geübt haben, laufen unsere Finger „automatisch“ über die Tastatur und spielen das Musikstück ohne den Denkprozess: Die richtige Tastenfolge ist im Körper-Gedächtnis gespeichert. Das Gleiche geschieht beim Autofahrenlernen (am Anfang müssen wir an jede einzelne Hand- und Fussbewegung denken!) und bei vielen anderen Tätigkeiten.
Es kann also sein, dass unser Verstand ein Ereignis nicht begreift und nicht zu deuten in der Lage ist; es findet jedoch ins körperliche, emotionale oder seelische Element Eingang, bewegt hier etwas und führt eine Veränderung herbei, die uns im Moment zwar nicht bewusst ist, die wir aber später bestimmt wahrnehmen (dieser Sachverhalt ist offenkundig bei traumatischen Erlebnissen, doch es geschieht unzählige Male – von uns unbemerkt – mit positiver Wirkung!). Damit wird also die Wichtigkeit relativiert, das Zugefallene immer verstehen zu müssen. Wir dürfen es auch einfach zur Kenntnis nehmen und darauf vertrauen, dass unsere Seele es verstanden hat.

Ein weiterer Aspekt: Wir können davon ausgehen, dass alles eine Bedeutung, einen Sinn hat und dass alles, was auf der Welt geschieht, miteinander verwoben ist, also auch ein „unbedeutendes“ Detail, wie beispielsweise dass eine bestimmte unbekannte Person neben mir im Zug sitzt. Ob wir diesen Sinn in jedem noch so nebensächlichen Ereignis suchen sollen, ist eine andere Frage! Ständig darüber nachdenken, was dieses und jenes Detail zu bedeuten hat, hindert uns am Er-leben; vielmehr sollten wir einfach staunen, wenn kleine Ereignisse sich zu einem grossen ineinander fügen, wie aus nebensächlichen Begebenheiten entscheidende Wenden im Leben entstehen… Das Dasein ist unheimlich spannend, durchwandern wir es mit offenen Augen, und wir lernen viel beim blossen Beobachten, Wahrnehmen und schlichten Erleben, ohne ständig alles durch den Verstand zu schleusen.

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