Die Kleinigkeiten des Alltags

Neulich habe ich auf der Strasse einen Bekannten getroffen, den ich als ehrlichen und rechtschaffenen Mann kenne, als einen guten Menschen, hilfsbereit und offen. Er erzählte mir von seinen Problemen mit dem Nachbarn. „Der Idiot hat wieder …“, begann er und nannte ihn dann noch mit schlimmeren Bezeichnungen als „Idiot“. Interessanterweise senkte er jedes Mal die Stimme, wenn er einen solchen Kraftausdruck verwendete – obwohl weit und breit niemand war, der uns hätte hören können.
Ich liess ihn eine Weile reden, dann machte ich ihn darauf aufmerksam, dass es nicht gut sei, mit solchen Ausdrücken über andere zu sprechen.
Jeder Mensch hat das Recht auf seine Würde, er ist wertvoll an sich, als unsterbliche Seele, als Teil des Göttlichen, unabhängig davon, wie er sich verhält. Wir sollten nie den Menschen verurteilen, sondern seine Tat.

Wir können immer wieder beobachten, wie „gute“, auch gläubige und spirituelle Menschen, ihre Güte, ihren Glauben und ihre Spiritualität nur in bestimmten Bereichen leben: Hilfsbereitschaft gegenüber Freunden, regelmässiger Kirchenbesuch, häufige Meditation. Doch die liebevollste Zuwendung, die inbrünstigsten Gebete, die tiefste Versenkung bringen uns nicht weiter, wenn es uns nicht gelingt, unsere Spiritualität auch in die Banalität des Alltags zu übertragen. Im Karma Yoga ist dies ausgesprochen wichtig, ja die Essenz dieses spirituellen Weges überhaupt.
Es gibt nicht eine Zeit der Spiritualität und eine Zeit des Alltags, als wären es zwei getrennte Dinge! Jeder einzelne Augenblick ist ein Schritt auf unserem Weg… Und es gibt dabei nichts Unwichtiges, nichts Banales, keine unbedeutenden Kleinigkeiten – alles hat seinen Wert, um zu lernen und an uns selbst zu arbeiten.

Deshalb möchte ich euch als Anregung heute ermuntern, achtsam zu sein, wie ihr mit anderen und über andere Menschen sprecht. Dass wir nicht tratschen sollten, versteht sich! Aber auch sonst: immer respektvoll; keine herabwürdigenden Ausdrücke; keine Verurteilung der Person, sondern ihrer Tat. Und immer versuchen, zu verstehen: Die allerwenigsten Menschen sind mutwillig „böse“ und „schlecht“, die meisten wissen es einfach nicht besser, sind schwach und verletzlich. Und alle möchten doch einfach nur ein bisschen glücklich sein – auch wenn sie dazu nicht immer die besten Mittel einsetzen.

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