Die Bildung des Ego war eine wichtige Errungenschaft der Evolution: Es ist die Geburt des Individuums, der Empfindung, dass ich ein von anderen abgegrenztes Wesen bin mit individuellen Bedürfnissen und der innewohnenden Möglichkeit, diese zu befriedigen, und nicht nur ein Bestandteil eines Kollektivs. Das Ego ist die Zwischenstufe zwischen dem instinktgesteuerten und dem spirituellen Wesen, zwischen der Unbewusstheit und dem Göttlichen Bewusstsein.
Aus dem Blickwinkel der Evolution muss der Mensch als Spezies seine Eigenständigkeit gegenüber „der Natur“ herausarbeiten und behaupten: Sich nicht länger vom Instinkt und von einer Mechanik leiten lassen, sondern von seinen Vorstellungen und Wünschen, seine Individualität wahrnehmen und ausleben. Erst wenn er den ganzen Reichtum des Ego an Fähigkeiten, Kraft und Genuss erfahren hat, kann er sich Höherem zuwenden.
Ist das Evolutionsziel „Bildung des Ego“ erreicht – das ist es in unserer heutigen Menschheit längst! –, folgt das nächste: das Erlangen des Bewusstseins, dass dieses Ego nur eine zu überwindende Übergangsstufe ist, und die spirituelle Entwicklung bis zur Erkenntnis der Einheit im Göttlichen.
Zur Zeit leben wir noch in einem äusseren, oberflächlichen Bewusstsein, identifizieren uns mit ihm und schreiben ihm zu, was in Wirklichkeit für die Seele zutrifft; das Ego ist sozusagen ein „Ersatzbewusstsein“. Von diesem Irrglauben, es sei unser wahres Selbst, haben wir uns jetzt zu lösen.
Wegen des Ego sind wir uns der Einheit aller Wesen, ja allen Existierenden nicht bewusst und versuchen stets im Hinblick auf unseren individuellen Vorteil zu handeln. Daraus entsteht vieles, was wir „schlecht“, „böse“, „verwerflich“, „sündig“, „egoistisch“ nennen. Es ist jedoch auch nichts weiter, als ein Schritt in der Evolution: Die Natur setzt alles ein, was ihr zur Verfügung steht, schöpft alle Möglichkeiten aus, um die Entwicklung voranzutreiben, auch egoistische oder selbstzerstörerische Instinkte, wenn sie dem fernen Ziel dienen. Sind doch erst durch das „Böse“ und unser Empfinden von „Sünde“ die Ethik und Moral als Vorstufe des Spirituellen entstanden.
Es ist auch dieses Ego, das sich freut und leidet, dem wir einen freien Willen zuschreiben und all das, von dem wir meinen, es mache uns aus. Aber das Ego ist nicht unser wahres Selbst! Wenn wir Ich sagen, sollten wir damit unsere Seele meinen, diesen Göttlichen Kern in uns, der sich weder freut noch leidet und als Willen lediglich den Göttlichen kennt. Das Ego loslassen, unsere wahre Identität erkennen und damit wieder eins mit dem Göttlichen werden, ist der Sinn unserer menschlichen Existenz.
Unter „das Ego loslassen“ darf nicht verstanden werden, es zu vernichten, denn es verfügt über die Eigenschaften, die für unseren spirituellen Weg unerlässlich sind. Verwandeln sollten wir es, von dieser niedrigen Entwicklungsstufe auf eine höhere erheben.
Jede unserer „niederen“ Regungen ist nämlich lediglich eine Verzerrung der wahren Eigenschaft des Göttlichen (und unseres wahren Selbst) und kann in sie verwandelt werden: So muss beispielsweise unsere besitzergreifende Liebe zur bedingungslosen Liebe werden, unser Hunger nach weltlichen Genüssen zur Sehnsucht nach der immerwährenden Göttlichen Glückseligkeit, unser unvollkommenes Denken zum All-Wissen.
In welches Verhältnis setzen Sie all die Prädikate, in Relation wozu sehen Sie sie? Und gehört „gesunder“ Egoismus nicht zum Menschsein? Wer allzu sehr nach Vollkommenheit (eins mit dem Universum) zu sein, könnte u.A. seelisch erkranken weil er zu hohe Ansprüche an sich selbst stellt. Woher wissen Sie wann gut gut ist und ob spirituell für andere gleichbedeutend ist wie für Sie? Lebenssinn kann alles sein, das muss jeder mit sich selbst vereinbaren würde ich meinen. Wie könnte einer noch Freude empfinden, der nicht weiss was Leid sein kann, wie geniesst jemand Fröhlichkeit, der nicht weiss was Trauer ist? Diese irgendwie indifferent sein, das Sie beschreiben erscheint mir lebensfremd. Kann sein ich verstehe was nicht ganz richtig?
Liebe Lisa,
Selbstverständlich ist alles, was ich auf dieser Website schreibe, meine persönliche Meinung. Und jeder Leser kann für sich herauspicken, was für ihn stimmt.
Nur auf das, was du „indifferent“ nennst, will ich ganz kurz eingehen. Es geht dabei nicht um Gleichgültigkeit, sondern um Gleichmut, was im Buddhismus auch „heitere Gelassenheit“ genannt wird.
Meistens machen wir unser Glück abhängig von den äusseren Umständen, diese sind es, die uns Freude und Leid bescheren. Doch in unserer Seele ist die Zufriedenheit, ja die Glückseligkeit, stets vorhanden. Diese gilt es in uns zu finden – und sie ist weitaus schöner und bereichernder als jede Freude, die wir aus der äusseren Welt schöpfen. Und zwar ohne Schmerz und Leid.
Mehr dazu findest du auf dieser Website, wenn du in der rechten Seitenleiste unter „Stichwörter“ auf „Gleichmut / Gelassenheit“ klickst.
Herzlichst,
Karin
Hallo Karin
Das tönt ja richtig schön aber auch ein wenig nach Firede, Freude, Eierkuchen. Ausgeglichen sein kann man doch nur dann wenns was zum Ausgleichen gibt. Ich unterlasse es hier ausführlich zu werden möchte aber doch vermerken, dass ich dem, was Sie zu diesem Thema äussern nicht wirklich zustimmen kann. Wir können Zufrieden und ausgeglichen sein – fegt ein Schicksalsschlag alles was unser Leben ausmacht hinweg werden wir wohl zunächst weder heiter noch gleichmütig sein. Und das, so können wir das im Grossen den Nachrichten entnehmen ist vieler Menschen Realität. Vielleicht weniger spektakulär und offensichtlich passiert Ähnliches vor unserer Haustür. Irgendwie sehe ich den Zusammenhang im wirklichen Leben nicht.