Der innere Verhaltenskodex

Gesetze sind schriftlich festgehalten, Verbote werden öffentlich bekannt gemacht, auch ethische und moralische Konventionen gehören zum Allgemeinwissen in unserem sozialen Umfeld – unbekannt sind uns hingegen viele Vorschriften, die wir in unserem Unbewussten aufbewahren und die von hier unser Denken und Handeln steuern. Gerade weil sie uns nicht bewusst sind, können wir sie nicht hinterfragen und nicht frei entscheiden, ob wir sie (noch) als sinnvoll erachten und sie befolgen wollen.
Dieser innere Verhaltenskodex ist weitaus mächtiger als alle äusseren Gebote und Verbote. Aus den folgenden Gründen ist es so wichtig, ihn ins Bewusstsein zu holen und kritisch zu durchleuchten:
• Wir haben ihn nicht freiwillig gewählt, sondern er wurde in uns „eingepflanzt“, und er enthält alle Vorschriften, die wir je befolgen mussten, um uns vermeintlich angenommen und geliebt zu fühlen („Das darfst du nicht tun“, „Das musst du machen“) – wovon manche nie nützlich waren, andere längst überholt sind.
• Er bestimmt unser Wertesystem, was wir für schön oder hässlich halten, für gut oder böse, für erstrebens- oder ablehnenswürdig und vieles mehr, vor allem auch die Bewertungsskala für uns selbst, zudem alle Urteile, die je ein Mensch über uns gesprochen hat („Das verstehst du nicht“, „Du bist zu dick“, „Du kannst nicht zeichnen“) – sie prägen unsere Einstellungen und Verhaltensweisen und diese gehören möglicherweise nicht zu unserem wahren Wesen.
• Er ist verantwortlich für viele unserer Selbstvorwürfe, Schuldgefühle, Versagensängste und für andere negative Empfindungen, denn wir können unmöglich alle diese hohen unbewussten Standards erfüllen, und dafür, dass wir uns oft selbst bestrafen für unsere vermeintliche Unzulänglichkeit.
• Durch dieses innere Glaubenssystem sehen wir nicht die Wirklichkeit unseres Selbst und der Welt ausserhalb von uns, sondern ein von und in unserem Unbewussten konstruiertes Bild – wir sind gewissermassen blind für alles, was nicht mit diesem Bild übereinstimmt, und übersehen dadurch wichtige Entwicklungsmöglichkeiten und -schritte.

Wollen wir wirklich wir selbst sein – selbstbestimmt, selbstverantwortlich, selbstbewusst –, müssen wir uns diesen inneren Kodex vor unser geistiges Auge holen, ihn anschauen und dann konsequent daran arbeiten, unser unfreiwillig geprägtes Denken und Handeln zu verändern.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert