Ich bin, was ich sage

Vor wenigen Tagen kam ich kurz nach zwölf zu Fuss an einer Bank vorbei. Die Angestellten verliessen sie soeben, um in ihre Mittagspause zu gehen. Eine elegante, schöne junge Frau, etwa 25, sorgfältig geschminkt, aufrecht und sicher auf ihren Highheels sagte gerade lachend zu ihrem männlichen Begleiter: „Das isch ja huere geil!“ [huere geil, wörtlich: hurengeil; heutzutage oft verwendete Schweizer Ausdrucksweise]
In meiner Jugend war das Wort „geil“ in einem anderen als einem sexuellen Kontext noch völlig ungebräuchlich. Das Wort „huere“ als verstärkenden Bestandteil, in Zusammensetzungen wie „huere guet“ und „huere schön“, oder als Schimpwort „du huere tubel“, verwendeten wir nur, wenn keine Erwachsenen zuhörten – sonst wären wir gehörig ausgeschimpft worden!

Die Sprache wandelt sich, das ist wahr. Im 16. Jahrhundert und noch für lange Zeit meinte „geil“ einfach fröhlich, freudig; erst später bekam es die Bedeutung von sexuell erregt. Den jungen Leuten von heute ist das kaum mehr bewusst, sie verwenden es bei jeder Gelegenheit für toll, super.
Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass wir Ausdrücke in einer veränderten Bedeutung verwenden. Mich hat die kurze Episode vor der Bank bloss wieder einmal daran erinnert, dass jedes Wort, jeder Laut, jeder Klang eine bestimmte Schwingung hat. Wenn wir ein Wort aussprechen, so wirkt diese Schwingung auf uns und auf diejenigen, die es hören. Darüber sollten wir uns klar sein und deshalb unsere Ausdrucksweise etwas sorgfältiger wählen, als wir das manchmal tun, vor allem auch bewusster und uns nicht einfach von alten Verhaltensmustern leiten lassen. Denn eine Schwingung, der wir immer wieder ausgesetzt sind, wirkt in uns und macht uns zu dem, was ihr entspricht.
Das Gleiche trifft übrigens auch zu für alles, was wir sehen beziehungsweise anschauen – darüber mehr in einem meiner nächsten Artikel.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

Emotionen und Gefühl

Von einer weisen Frau habe ich vor vielen Jahren gelernt zu unterscheiden zwischen Emotionen (auch als Gemütsbewegungen bezeichnet) und Gefühlen. Das ist überaus wichtig, das erkenne ich immer wieder bei mir selbst, denn nur allzu oft verwechseln wir die beiden und halten für edle Gefühle, was in Wirklichkeit nur Begehren des Ego sind. Vorab ganz kurz gesagt: Emotionen sind Erregungen des Ego, die durch äussere Gegebenheiten hervorgerufen werden; Gefühl ist der Zustand der Seele. Einige Beispielpaare mögen diesen Gedanken veranschaulichen (wobei es teilweise natürlich eine rein sprachliche Definitionssache ist, die in einer anderen Sprache so nicht funktioniert – an der Tatsache der Unterscheidung ändert das jedoch nichts).

Emotion – Gefühl
Verliebtheit – Liebe
Glücklichsein – Zufriedenheit
Mitleid – Güte/Liebe
Sorge – Fürsorge

Mir ist im Buch „Der Karma Yoga“ von C. Kerneïz eine Erläuterung begegnet, die ich hier wörtlich und von mir unkommentiert zitieren will – man kann es einfach nicht treffender sagen und dem ist meinerseits auch nichts hinzuzufügen! (Das Werk stammt aus den 1930-er Jahren, wurde 1950 auf Deutsch übersetzt, weshalb gewisse Begriffe und Formulierungen etwas altertümlich anmuten mögen.) Es geht dabei um das Mitleid beziehungsweise die Güte/Liebe, lässt sich aber analog auf andere Emotionen/Gefühle übertragen.

Gewöhnlich verwechselt man Gemütsbewegungen mit Gefühl, vor allem die Gemütsbewegung des Mitleids mit dem Gefühl der Liebe. Wenn man von einem leicht erregten Menschen sagt, er sei gefühlvoll, glaubt man das Gleiche auszudrücken. Nichts aber ist weniger richtig! Das Gefühl ist eine rein seelische, von schwachen oder überhaupt keinen körperlichen Rückwirkungen begleitete Erscheinung. Die Gemütsbewegung dagegen ist im wesentlichen körperliche Erscheinung, wenn sie auch leichte seelische Rückwirkungen hervorrufen kann. Die vom Gefühl bestimmten Werke sind beherzt gewollt. Durch Gemütsbewegungen bestimmte Werke sind Rückwirkungen, die sich stark den Reflexen nähern.
Seiner seelischen Natur nach ist das Gefühl neben der Einsicht die einzig mögliche Quelle frei entschiedener, völlig selbstloser Handlungen. Das Gefühl nimmt an unserer wirklichen Persönlichkeit teil. Die eng mit den Organen unseres stofflichen Leibs verbundene Gemütsbewegung gehört nicht in den Bereich der wirklichen Persönlichkeit [Seele oder Höheres Selbst], sondern in den der scheinbaren Persönlichkeit [Ego] und ist deshalb grundsätzlich egoistisch.
Es ist daher ein grosser Irrtum, das Mitleid, wie es nur zu oft geschieht, als die ständige Quelle der Werke der Barmherzigkeit zu betrachten. Mitleid ist tatsächlich eine Gemütsbewergung. Vielleicht ist die Tatsache, dass man mehr oder weniger leicht und heftig Mitleid empfinden kann, vom sozialen Gesichtspunkt aus eine gute Eigenschaft. […] Aber es ist ebensowenig wie Schönheit, Verstand, Kraft oder Beweglichkeit eine Tugend. Meist ist Mitleid von einem Gefühl der Güte begleitet; indessen ist dieses Zusammentreffen zufällig, da keine notwendige Verbindung zwischen den beiden besteht. Mitleid kann ohne Güte und Güte ohne Mitleid vorhanden sein. Man begegnet manchmal gütigen Menschen, die nicht mitleidig sind, öfter noch trifft man mitleidige Menschen, die nicht gut sind; ja, es ist nicht selten, dass diese sogar sehr böse sind.
Die Gemütsbewegung des Mitleids wird durch das Mitansehen der Leiden Anderer hervorgerufen, d.h. durch eine Empfindung; ebenso kann sie durch den mündlichen oder schriftlichen Bericht wachgerufen werden. Daraus entsteht ein körperlicher Schock und eine geistige Verwirrung, die schmerzhafte, im Unterbewusstsein versunkene Bilder hervorrufen; man empfindet dann in der Einbildung mehr oder weniger stark das physische oder moralische Leiden mit, dessen Zeuge man wirklich oder nach dem Bericht ist.
Jedes Leid ruft den unwillkürlichen Impuls hervor, seine Ursache aufzuheben: man zieht instinktmässig den verwundenden Stachel heraus. Dasselbe gilt auch für das eingebildete, vom Mitleid hervorgerufene Leiden. Um sich ihm zu entziehen, ist das natürlichste Mittel, den Anblick des wirklichen Schmerzes, also seine Ursache aufzuheben: wir müssen dem unglücklichen Nachbarn helfen. Der Beweggrund zu dieser Tat ist also ein egoistischer.
Die Fähigkeit, Mitleid zu fühlen, ist verständlicherweise von Individuum zu Individuum verschieden, je nachdem das Nervensystem mehr oder weniger feinfühlig und beeindruckbar ist. Diese rein körperlichen Unterscheidungen haben überhaupt keine moralische Bedeutung, und es ist ein schwerer, nur zu häufiger Irrtum, die Güte eines Menschen nach der Lebhaftigkeit der Rückwirkungen abzuschätzen, die das Leiden eines Anderen in ihm auslöst.
Wie stark es auch sei, das Mitleid bleibt immer an der Oberfläche. Vom Anschein erweckt, beruhigt es sich ebenso leicht durch den Anschein. […]
Was aber ist Güte? Güte ist die allgemeine Form der Liebe, einer Liebe, die unabhängig ist von allen besonderen Gegenständen, auf die sie ausgeübt wird.
Wie Licht unabhängig ist von einzelnen Gegenständen, die es erhellt, so ist auch Güte, die Allgemeinform der Liebe, unabhängig von jedem einzelnen Gegenstand der Liebe. Diese Allumfassung ist das Zeichen, in dem die wahre Güte erkannt wird: es ist ihr besonderes Merkmal.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

„Glaube ohne Werke ist tot“

Dieses Zitat stammt nicht etwa von einem östlichen Guru des Karma-Yoga, sondern von einem der ersten Christen: Aus dem Brief des Jakobus (Jakobus 2,14 ff.).

Was nützt es, meine Brüder und Schwestern, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber keine Werke vorzuweisen hat? Vermag der Glaube ihn etwa zu retten? Wenn ein Bruder oder eine Schwester keine Kleider hat und der täglichen Nahrung entbehrt und jemand von euch sagt zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ohne ihnen das Lebensnotwendige zu geben, was nützt das? So ist es auch mit dem Glauben: Für sich allein, wenn er keine Werke vorzuweisen hat, ist er tot. Sagt nun einer: Du hast Glauben, ich aber kann Werke vorweisen. – Zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, und ich werde dir an meinen Werken den Glauben zeigen! Du glaubst, dass es einen einzigen Gott gibt? Da tust du recht – auch die Dämonen glauben das und schaudern! Bist du nun willens, du törichter Mensch, einzusehen, dass der Glaube ohne die Werke wirkungslos ist? […] Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.

Der wesentliche Unterschied zum Karma-Yoga liegt darin, dass im Christentum unter den „Werken“ stets gute Taten gemeint sind, die wir zum Wohl unseres Nächsten vollbringen. Ihnen liegt also eine Motivation, wenn auch eine edle, ein Ziel zugrunde: Wir tun es, um jemandem zu helfen, eine Freude zu bereiten – nicht zuletzt aber vielleicht auch um uns dabei gebraucht zu fühlen, in den Augen anderer gut dazustehen, um des Dankes willen…
Im Karma-Yoga sollen Taten überhaupt keine Motivation haben: Wir tun etwas, weil es gerade zu tun ist – das ist Grund genug! Nicht um etwas dafür zu bekommen, nicht damit aus unserem Handeln bestimmte (erwünschte) Ergebnisse entstehen. Wir handeln – und lassen los, dass daraus entstehe, was entstehen soll.

Stellt euch einmal vor, wie leicht das Leben so sein kann! Einerseits beenden wir diesen ständigen inneren Konflikt, was wir noch alles tun sollten, wozu wir aber keine Zeit haben: Wir machen einfach, was gerade ansteht, was in der zur Verfügung stehenden Zeit machbar ist, eines nach dem anderen. Das genügt, mehr können wir nicht tun.
Andererseits entkommen wir dem lästigen und machmal sogar quälenden Prinzip von Lust und Unlust: Wir machen einfach, was gerade ansteht, ohne die eine Tätigkeit der anderen vorzuziehen, ohne die eine gerne und die andere ungerne zu erledigen. Wir werden mit der Zeit entdecken, dass selbst die „ungeliebten“ nicht so schlimm sind, und sie zuerst mit einer gewissen Gelassenheit tun und später gar Freude daran finden.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

Die Kleinigkeiten des Alltags

Neulich habe ich auf der Strasse einen Bekannten getroffen, den ich als ehrlichen und rechtschaffenen Mann kenne, als einen guten Menschen, hilfsbereit und offen. Er erzählte mir von seinen Problemen mit dem Nachbarn. „Der Idiot hat wieder …“, begann er und nannte ihn dann noch mit schlimmeren Bezeichnungen als „Idiot“. Interessanterweise senkte er jedes Mal die Stimme, wenn er einen solchen Kraftausdruck verwendete – obwohl weit und breit niemand war, der uns hätte hören können.
Ich liess ihn eine Weile reden, dann machte ich ihn darauf aufmerksam, dass es nicht gut sei, mit solchen Ausdrücken über andere zu sprechen.
Jeder Mensch hat das Recht auf seine Würde, er ist wertvoll an sich, als unsterbliche Seele, als Teil des Göttlichen, unabhängig davon, wie er sich verhält. Wir sollten nie den Menschen verurteilen, sondern seine Tat.

Wir können immer wieder beobachten, wie „gute“, auch gläubige und spirituelle Menschen, ihre Güte, ihren Glauben und ihre Spiritualität nur in bestimmten Bereichen leben: Hilfsbereitschaft gegenüber Freunden, regelmässiger Kirchenbesuch, häufige Meditation. Doch die liebevollste Zuwendung, die inbrünstigsten Gebete, die tiefste Versenkung bringen uns nicht weiter, wenn es uns nicht gelingt, unsere Spiritualität auch in die Banalität des Alltags zu übertragen. Im Karma Yoga ist dies ausgesprochen wichtig, ja die Essenz dieses spirituellen Weges überhaupt.
Es gibt nicht eine Zeit der Spiritualität und eine Zeit des Alltags, als wären es zwei getrennte Dinge! Jeder einzelne Augenblick ist ein Schritt auf unserem Weg… Und es gibt dabei nichts Unwichtiges, nichts Banales, keine unbedeutenden Kleinigkeiten – alles hat seinen Wert, um zu lernen und an uns selbst zu arbeiten.

Deshalb möchte ich euch als Anregung heute ermuntern, achtsam zu sein, wie ihr mit anderen und über andere Menschen sprecht. Dass wir nicht tratschen sollten, versteht sich! Aber auch sonst: immer respektvoll; keine herabwürdigenden Ausdrücke; keine Verurteilung der Person, sondern ihrer Tat. Und immer versuchen, zu verstehen: Die allerwenigsten Menschen sind mutwillig „böse“ und „schlecht“, die meisten wissen es einfach nicht besser, sind schwach und verletzlich. Und alle möchten doch einfach nur ein bisschen glücklich sein – auch wenn sie dazu nicht immer die besten Mittel einsetzen.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

Noch mehr „Verantwortung“…

In den beiden vorangehenden Texten habe ich das Thema „Verantwortung“ aufgegriffen, es beschäftigt in der Tat viele Menschen immer wieder – sei es, weil es sie belastet, nicht genau zu wissen, wo ihre Verantwortung für andere beginnt und wo sie endet, sei es dass sie sich mit Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen quälen wegen eingetretener Folgen ihrer Taten, deren Verantwortung sie auf sich geladen haben. Deshalb will ich das Thema nochmals mit einigen weiteren Gedanken beleuchten.
Aus einer moralischen und juristischen Sicht tragen wir selbstverständlich jederzeit die volle Verantwortung für unsere Taten. Doch schauen wir einmal aus einer spirituellen Perspektive.
Die Schöpfung, also das ganze Universum, hat einen Sinn, nämlich sich zu entwickeln und die Einheit mit dem Schöpfer, dem Göttlichen, wieder zu erlangen; es gibt einen Göttlichen Willen, der diesen Prozess in die „gute“ Richtung lenkt. Somit muss doch unser menschlicher freier Wille darauf beschränkt sein zu entscheiden, ob wir unser Handeln und unser Schicksal diesem Höheren Willen überantworten, uns also dem „Sinn des Lebens“ fügen oder nicht.
Entscheiden wir uns dagegen, so handeln wir nach unserem Ego und haben die Verantwortung für unsere Taten zu übernehmen und die Konsequenzen zu tragen.
Ergeben wir uns hingegen dem Göttlichen Willen und vertrauen uns seiner Führung an, übertragen wir die Verantwortung für unser Handeln sozusagen dem Göttlichen. Natürlich haben wir keine Gewähr, dass die innere Stimme, der wir folgen, wirklich immer die Göttliche unserer Seele ist und nicht die listige unseres Ego, das uns in die Irre führt! Aber wir handeln ja nach bestem Wissen und Gewissen, wir bemühen uns – und das ist schon genug, damit die Wirkungen unseres Tuns uns nicht belasten. Sie richten sich nicht länger nach einer menschlichen Logik und einem menschlichen Verständnis von Gerechtigkeit (Belohnung oder Strafe), sondern einzig im Sinne des Göttlichen Plans, der die Ereignisse und deren Wirkungen so regelt, dass wir lernen und dem Göttlichen näher kommen.
Für unser Leben und Handeln heisst das konkret: Wir versuchen, den Göttlichen Willen zu spüren und unser Tun damit in Einklang zu bringen. Es bedeutet, zwar immer noch, verantwortungsbewusst zu handeln, gleichzeitig aber auf die Göttliche Gnade zu vertrauen und darauf, dass unsere Taten nichts „anrichten“ können, was der Göttliche Wille nicht zulässt.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

Wo beginnt und wo endet unsere Verantwortung?

Im vorangehenden Artikel vom 10. Februar habe ich das Thema „Verantwortung“ aufgegriffen. Dazu gibt es noch einige Präzisierungen.

Worin liegt die eigene Verantwortung?
Ich habe gesagt, dass wir die Verantwortung für unser Leben und unser Tun dem Göttlichen übergeben und dadurch leichter und sorgenloser leben können – wie der König in der Geschichte.
Dazu eine scheinbar widersprüchliche Aussage: Selbstverständlich tragen wir die Verantwortung für unsere Taten! Wir können beispielsweise nicht willentlich jemanden töten mit der Rechtfertigung: „Ich habe nur gehandelt, wie ich es für richtig hielt. Gott wollte offenbar den Tod dieses Menschen, sonst hätte er ihn ja gerettet.“ Wir sind immer für unser Handeln verantwortlich und tragen die Konsequenzen, die das Göttliche für uns bestimmt. Wir haben zwar nicht die Macht, in das Schicksal eines anderen einzugreifen, das liegt allein in Göttlicher Hand, aber wir haben den freien Willen, es gewissermassen zu versuchen – und dafür lasten die Konsequenzen immer auf uns selbst. Für unser Beispiel des Tötens eines Menschen heisst das: Der Göttliche Wille hat für diesen Menschen wohl den Tod vorgesehen und braucht ein Werkzeug dazu. Dieses Werkzeug kann aber auch in einer Krankheit oder Naturkatastrophe bestehen – das muss nicht ich sein!
Tröstlich ist jedoch, dass wenn wir uns ehrlich bemüht haben, die richtige Entscheidung zu treffen und gewissenhaft zu handeln und es „schief“ geht, so hatte offenbar der Göttliche Wille etwas anderes bestimmt und wir brauchen uns nicht mit Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen zu quälen. Und die Konsequenzen, denen wir ausgesetzt sind, selbst schmerzhafte, dienen ausschliesslich dazu, dass wir Erkenntnisse daraus ziehen und für die Zukunft lernen; in diesem Sinne sollen wir die Folgen unseres Handelns nie fürchten.

Und wo endet unsere Verantwortung?
Oft übernehmen wir, gefragt oder ungefragt, Verantwortung für andere Menschen oder diese versuchen sie uns aufzubürden – oft meinen wir, für sie verantwortlich zu sein, sind es aber in Wirklichkeit nicht. Wenn ich beispielsweise meinen Partner verlasse, egal aus welchen Gründen, und er lässt sich aus Verzweiflung total gehen, beginnt zu trinken, verliert seine Stelle, endet als Obdachloser oder was auch immer, so trage ich nicht die Verantwortung!
Bei vielen unserer Entscheidungen und Verhaltensweisen sind auch andere Menschen mit betroffen, mehr oder minder stark; sie werfen uns dann manchmal vor, egoistisch und Schuld an ihrem Elend zu sein. Doch Aussagen im Stil: „Durch deine Entscheidung machst du mich unglücklich“, und noch extremer: „Du bist Schuld, dass ich trinke“ oder „Wenn du mich verlässt, bringe ich mich um“ entspringen allein dem Ego des anderen und sind seine freie Entscheidung für sein Leben – damit haben wir nichts zu tun.
Für erwachsene, mündige Menschen trägt nie ein anderer die Verantwortung. Wir tragen sie jedoch für die Wesen, die dazu nicht in der Lage sind: unsere Kinder, Tiere und Pflanzen, ja selbst die „Dinge“ – und diesen sollen wir Sorge tragen.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

Die Verantwortung abgeben

Möchten wir das nicht alle? Jemanden haben, der uns in jedem Augenblick sagt, was wir tun und was wir lassen sollen – vorausgesetzt er besässe die absolute Wahrheit und wüsste wirklich, was richtig und was falsch ist… und wir nicht mehr selbst für unser Tun die Verantwortung tragen müssten.

Es war einmal ein guter König, der stets um das Wohl seines Reiches und seiner Untertanen besorgt war. Doch diese Pflichten und die Verantwortung, die er trug, zehrten an ihm; oft verbrachte er schlaflose Nächte vor lauter Sorge, falsche Entscheidungen zu treffen oder nicht genug zu tun, um Unheil von seinem Land abzuwenden.
Als er immer betrübter und erschöpfter davon wurde, vertraute er sich einem Weisen an, der in einer Waldeinsiedelei lebte.
„Wenn deine Aufgabe dich so sehr belastet, solltest du jemanden finden, der sie dir abnimmt“, riet ihm der Einsiedler. Der König antwortete: „Es ist nicht einfach, ein gerechter Herrscher zu sein; wen könnte ich damit beauftragen?“
Als der Weise sich anerbot, diese Pflicht zu übernehmen, war der König hocherfreut, konnte er sich doch niemanden vorstellen, der besser dafür geeignet wäre. Feierlich sagte er zu ihm: „Ich übergebe dir mein Reich“, und fühlte bei diesen Worten, wie alle Last von ihm abfiel. Dann verfinsterte sich sein Blick und er meinte stirnrunzelnd: „Doch was soll ich jetzt tun? Ich muss mir eine neue Aufgabe suchen…“
Der Einsiedler sprach ihm Mut zu: „Bei deinen Fähigkeiten, wirst du bestimmt das Passende finden.“ Dann fügte er hinzu: „Wenn du jetzt in deinen Palast gehst, um deine Minister von unserer Vereinbarung in Kenntnis zu setzen, überbringe ihnen bitte die folgende Botschaft von mir: Sie sollen sich gleich darum bemühen, jemanden zu finden, der die Tagesgeschäfte für mich erledigt.“
Erstaunt wandte der König ein: „Willst du das denn nicht selbst tun?“
Der Weise schüttelte den Kopf: „Nein, ich bin ein Asket, ich kann nicht im Palast wohnen; ich werde von hier aus regieren und meinem Stellvertreter Anweisungen geben. – Übrigens: wärst du nicht interessiert an dieser Arbeit? Mit deiner Erfahrung als König bist du doch bestens dafür geeignet…“
Sofort erklärte sich der König dazu bereit und der Einsiedler trug ihm auf: „Handle immer, wie du es für richtig hältst; störe mich nicht unnötig, wirklich nur wenn du ein Problem nicht selber lösen kannst.“
So kehrte der König in seinen Palast zurück und herrschte als Stellvertreter des Weisen. Die Arbeit machte ihm Freude – spürte er doch nicht länger die Last der Verantwortung. Und es hatte sich äusserlich überhaupt nichts geändert…

Wie schön, die Verantwortung einfach abzugeben und unbekümmert zu handeln! Und dabei dennoch alles so gut wie möglich erledigen – das versteht sich –, aber ohne diese Belastung, wir könnten etwas falsch machen, es könnte schief herauskommen…
Wir können die Verantwortung für unser Leben und unser Handeln abgeben – an das Göttliche. Und dann leicht und sorgenlos leben, im Vertrauen, dass Es schon das Richtige daraus entstehen lässt.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

Gute Vorsätze für das Neue Jahr?

Viele Menschen fassen am Ende des Jahres gute Vorsätze, was sie „über Nacht“ alles ändern wollen. Doch Veränderungen lassen sich selten über Nacht vollbringen; sich selbst zu verändern, und sei es auch nur in einer einzigen Eigenschaft, ist ein langer Prozess. Und warum machen wir das überhaupt beim Jahreswechsel? Wäre es nicht sinnvoller, wenn wir eine bestimmte gute Eigenschaft erwerben wollen, sofort damit anzufangen? In dem Moment, in dem wir erkennen, dass wir uns ändern wollen? Warum warten bis zum 31. Dezember? Wozu soll diese „Frist der Unvollkommenheit“, die wir uns selbst noch gewähren, gut sein?

Die andere Überlegung ist: Warum muss ich überhaupt einen Vorsatz fassen? Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, weiss ich doch in jedem Augenblick, was mir gut tut und was nicht. Wieso verhalte ich mich denn nicht entsprechend?
Lebten wir stets in der Gegenwart – ohne auf die Vergangenheit zurückzublicken und ohne in die Zukunft zu spähen –, wäre so etwas wie ein Vorsatz absurd. Wir tun in jedem Moment, was wir in uns als richtig spüren, und wir nehmen uns in jedem Moment so an, wie wir gerade sind, ohne uns für unsere Unvollkommenheit zu verurteilen.

In diesem Sinne: Fasst keine guten Vorsätze für das Neue Jahr!

Falls ihr aber doch gute Vorsätze fassen wollt, findet ihr zwei Anregungen auf meiner anderen Website, und zwar zum Thema Urvertrauen und zum Thema Selbstliebe.

Ich wünsche euch für das Neue Jahr die unendliche Gegenwart des reinen Seins!

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

Das Nicht-Handeln im Handeln üben

Im vorangehenden Artikel vom 19. August war vom Nicht-Handeln im Handeln die Rede, davon, dass wir mit unserem Tun nicht bestimmte Ergebnisse anstreben sollen. Das betrifft selbstverständlich nicht nur unsere „grossen“ Taten, sondern auch die gewöhnlichen, banalen Alltagstätigkeiten. Darum geht es schliesslich, im Klartext: Keine Tat der anderen vorziehen; dem Prinzip von Lust und Unlust abschwören; immer tun, was gerade zu tun ist.
Das können wir in unserem Alltag, sowohl im beruflichen als auch im privaten, sehr gut üben: Wir tun in jedem Augenblick, was gerade getan werden muss. Ob im Haushalt, im Beruf oder in meiner Freizeit: Wenn ich sehe, dass etwas getan werden muss (und ich sehe es, alles andere sind faule Ausreden!), dann tue ich es, sofort und ohne Aufschub, mit Freude oder zumindest Gleichmut und immer so gut ich es kann. Beispiele:
• Der Rasen ist nachgewachsen – ich mähe ihn (und warte nicht zu, bis es dann regnet und ich nicht mähen kann!) und zwar gründlich, auch unter den Büschen, wo ich von Hand nachbessern muss.
• Es ist keine Milch mehr da – ich gehe einkaufen (und denke nicht: „Trinken wir den Kaffee halt für einmal ohne“).
• Das Ablagekistchen ist voll – ich ordne die Papiere und hefte sie ab (und meine nicht, eine andere Aufgabe sei wichtiger, weil sie mir lieber ist!).
• Das Bild hängt schief – ich gleiche es aus (und finde nicht, es hänge jetzt schon lange so, ich hätte mich bereits daran gewöhnt!), muss ich auch einen neuen Nagel einschlagen und das alte Loch zukitten.
• Auf dem Teppich entdecke ich einen Fleck – ich bemühe mich, ihn zu entfernen (und stelle nicht einen Blumentopf darauf!), auch wenn das Reiben anstrengend ist.

Alle Aufgaben, die gerade anstehen, seien es kleine oder gewichtige, leichte oder anstrengende, „beliebte“ oder „verhasste“: Ich erledige sie sofort, ohne dass man mich dazu auffordern muss, ohne sie aufzuschieben, ohne zu murren und ohne Unlust.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter

Nicht-Handeln im Handeln

Was wir auch tun (oder lassen) im Leben: Es hat immer einen Grund – wir tun etwas „weil…“ – oder einen Zweck – wir tun etwas „um zu…“. Unser Handeln ist zielgerichtet, wir wollen damit etwas erreichen.
Erlangen wir das Ersehnte, ist alles gut, wir sind glücklich. Erlangen wir es jedoch nicht, sind wir unzufrieden, vielleicht auch frustriert, enttäuscht, wütend, deprimiert und mehr. Wir verurteilen uns selbst oder einen anderen oder die widrigen Umstände, hadern gar mit dem Schicksal oder fühlen uns schuldig, unfähig, wertlos. Möglicherweise war unser Bemühen zum Erreichen des Ziels schon von Stress, Kampf, Ängsten und anderen unangenehmen Erscheinungen begleitet.
„So ist halt das Leben!“, sagen wir oft. „Ein Auf und Ab.“

So muss das Leben aber nicht sein. Das Geheimnis liegt im uneigennützigen Handeln. Uneigennützig heisst: Wir streben keinen eigenen Nutzen an bei dem, was wir tun. Auch keinen Nutzen für andere Menschen – uneigennützig darf nicht als altruistisch missverstanden werden. Wir streben mit unseren Taten überhaupt nichts an, weder für uns selbst noch für andere. Es kann auch als selbstloses Handeln bezeichnet werden: selbst-los = ohne dass unser Selbst (oder Ego) mitwirkt. Wie es in der Bhagavad Gita steht:

Du hast ein Recht auf das Handeln, aber nur auf das Handeln, niemals auf dessen Früchte; lass nicht die Früchte deines Wirkens dein Beweggrund sein, noch lass Anhaftung zur Tatenlosigkeit in dir zu.
Fest gegründet im Yoga [= spiritueller Weg], vollbringe deine Taten als einer, der jegliche Anhaftung aufgegeben hat und gleichmütig geworden ist im Misslingen und im Erfolg; denn Gleichmut wird im Yoga angestrebt.
Bhagavad Gita II, 47 f.

Wir tun also in jedem Augenblick was gerade zu tun ist, was wir im Moment für richtig halten, und lassen dann los. Wie das Ergebnis unseres Handelns auch ausfällt, wir nehmen es gleichmütig an. Dieses „Es sollte halt nicht sein“ hat nichts mit Resignation zu tun, sondern mit unserem Bewusstsein, dass wir immer das bekommen, was gut für uns ist. Gut in einem übergeordneten Sinne, nämlich gut für unsere innere Entwicklung, gut um etwas zu lernen – und darüber freuen wir uns.

Artikel teilen auf:
Facebooktwitter